Konzert in Zorneding:Frohsinn unter freiem Himmel

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An ungewohntem Spielort, im Atrium der Christophoruskirche, entfaltet die wiedererwachte Reihe "Bach & More" belebende Kräfte und hoffnungsvolle Vorfreude

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Auf die lange Sicht betrachtet und gehört, verändern Musikstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert ihren Charakter wenig, ob sie nun im März, im Mai oder im Juli aufgeführt werden. Aber wenn die vorangegangen Monate zwangsweise der öffentlichen Konzerte entbehrten, dann kommt ihnen eine Wirkkraft zu, die größer ist als sie selbst. Nach mehr als einem Vierteljahr Unterbrechung hat am Sonntagnachmittag in der Zornedinger Christophoruskirche die Reihe "Bach & More" dort angeknüpft, wo sie zu Frühlingsbeginn aufhören musste.

Von festlicher Musik für zwei - statt der ursprünglich vorgesehenen drei - Trompeten und Orgel ließen sich rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer in den sonnendurchfluteten Garten der Kirche locken, viele von ihnen noch unsicher ob der Umstände und der Abstände, zurückhaltend im sonst üblichen Miteinander des gegenseitigen Begrüßens, gleichwohl aber spürbar erwartungsvoll, was ihnen die Wiederkehr lebendigen, unmittelbaren Musizieren bescheren würde. Als wäre es von Staunen und Andacht gefesselt, dauerte es dann auch einige Stücke lang, bis das Publikum einen ersten Applaus hören ließ. Er wurde Matthias Gerstner an der Orgel sowie den Trompetern Konrad Müller und Leonhard Braun für ein "Gallard Bataglia" von Samuel Scheidt zuteil, der fünften Nummer im Programm, als hätte die kräftige, drängende Schlachtenmusik die Schutzmaske der Zurückhaltung weggeblasen.

Das Publikum lauscht vom Garten aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dabei hätte das Trio schon viel früher Dank und Zuspruch verdient gehabt. Sich nach so langer Enthaltsamkeit im konzertanten Auftritt wieder einem Publikum zu stellen - und der Aufgabe einer anspruchsvollen Interpretation - mag auch dem erfahrensten Musiker nicht nur Freude, sondern auch Gedanken machen. Davon war nichts zu spüren, denn selbst in tückischen Passagen erwiesen sich Bläser und Organist als schwindelfrei, von wenigen winzigen Wacklern abgesehen, die jedoch nicht ins Gewicht fielen.

Große Unterschiede zu einem Konzert im Standard-Modus gab es durch den Aufführungsort zu erleben. Da die Möschenfelder Kirche noch nicht zugänglich ist, brauchte es einen Ersatzspielort, der in Zorneding leicht gefunden war. Die Entscheidung zum Auftritt im Freien jedoch war nicht nur Distancing-technisch ein Vorteil, sie erwies sich als Glücksgriff, um die Kombination Bläser-Orgel aus der üblicherweise schützenden Hülle eines Kirchenbaus zu befreien. Die Orgel verlor dabei zwar etwas von ihrer Kraft, zumal Gerstner der Mobilität willen auf einer beweglichen Kastenorgel spielte; ihr Klang glich mehr dem einer Passantin, die durchs offene Fenster herein (oder: hinaus) zu hören war. Dafür kamen vorbeiradelnde Ausflügler, sonor brummende Sechszylinder, im Hintergrund fröhlich lachende Kinder und ein gelegentlich aufgeregt einstimmender Chor aus Spatzen und Staren als zusätzliche Register ins Spiel - gewinnbringend und erheiternd, wie man's passender nicht bestellen könnte. Abgesehen von einem kurzen Intermezzo mit ein paar frechen Krähen, die Pasquale Anfossis "Capriccio di Organo" zur Unzeit in die Passage fuhren.

Matthias Gerstner an der Orgel sowie die Trompeter Konrad Müller und Leonhard Braun (rechts) erfreuen mit lebendigem Spiel. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die beiden Bläser nutzen die große Bandbreite an Effekten und Spielarten, die ihnen das weit gefächerte Angebot der ausgewählten Komponisten bereitstellte. Schon bei den drei Sonatinen Johann Pezels gleich zu Beginn ließen sie die Einladung zu mal filigranen, mal markanten Echos nicht aus und spielten sich vergnügt die Melodien zu. Eine Dimension größer, gleichzeitig aber besonders filigran und elegant wiederholten sie dieses Spiel zur Mitte des Konzerts bei John Stanleys "Echo-Sonate" in D-Dur. Der Aufbau der Sätze, Adagio - Andante - Adagio - Andante, erwies sich als wie geschaffen für eine Aufführung im Freien, weil sich das Echo nicht in Mauern einfangen ließ, sondern im offenen Raum dem Nachklang intensivere Wirkung verlieh.

Ganz im Sinne von Steigerung und Zuspitzung waren die finalen vier Stücke von Matthias Gerstner so ausgewählt und angeordnet, dass ihr festlicher Charakter den Anlass würdig krönte. Zunächst Arcangelo Corellis "Sonata in C-Dur", lebhaft, voranstürmend, allen Widrigkeiten die Stirn bietend. Dann, festlich auftrumpfend, die Suite in F-Dur von Johann Caspar Ferdinand Fischer, ein klangliches Feuerwerk und für die Bläser ein furioser Befreiungsschlag aus der Stille und Bedachtsamkeit der zurückliegenden Zeit. Zum Durchatmen und als Lockerungsübung fürs Gehör dann noch einmal im Orgel-Solo ein Divertimento Saverio Valentes, bevor es mit der Sonata in B-Dur von Giuseppe Tartini einen fröhlich-heiteren Ausklang zu genießen gab, einen inspirierenden Impuls zum Mitnehmen und zum Vorfreuen auf ein nächstes Konzert, durchaus mit Hoffnung auf ein erneutes Open-Air. Reichlich Applaus dafür zum Schluss, entspannte Mienen, fröhliches Plaudern. Es war aber auch die Zeit dafür.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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