Konzert in der Glonner Schrottgalerie:Verhandlungen der Vergänglichkeit

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Lacht viel, hat aber auch eine dunkle Seite: Götz Hünnemeier. Diesen Freitag tritt er mit seinem Cat-Stevens-Programm in der Schrottgalerie auf. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Götz Hünnemeier aus Glonn huldigt Cat Stevens und seinem musikalischen Umgang mit den Irrungen des Lebens

Von Dorian Baganz, Glonn

Ganz wie das Original klingt er, wenn Götz Hünnemeier zu einer der zahlreichen Gitarren greift, die an seiner Wohnzimmerwand hängen, und einen zeitlosen Klassiker von Cat Stevens schmettert: "It's not time to make a change...", singt der 57-Jährige - gerade er, der selbst schon so manche Veränderung in seinem Leben auf sich genommen hat, um von der Musik leben zu können. Vielleicht hätte ihn der Job, den er vor ein paar Jahren um ein Haar angenommen hätte, zum Alkoholiker gemacht, sagt er. Mit Sicherheit aber wäre er unglücklich geworden. Und man spürt: Der Mann, der mit den dicken Brillengläsern und dem breiten Grinsen im Gesicht ein bisschen so aussieht, als wäre der Rapper Battle-Boi Basti früh in die Jahre gekommen, hat auch eine dunklere Seite an sich, eine, die ihn mit seinem berühmten Vorbild verbindet.

Seit zehn Jahren tourt Hünnemeier schon mit den Songs von Cat Stevens durch den Landkreis. Obwohl ihm selbst der Begriff "Tour" nicht gefällt: "Ich würde es eine musikalisch-biografische Reise nennen." Er hat ja nicht ohne Grund die Lebensgeschichte von Yusuf Islam im Regal stehen, wie sich Stevens für ein paar Jahrzehnte nannte, nachdem er zum Islam konvertiert war. Über 30 Auftritte hat Hünnemeier in der letzten Dekade mit dem Programm "A Tribute to Cat Stevens" absolviert. An diesem Freitag ist Götz-Live, wie er sich auf der Bühne nennt, in der Glonner Schrottgalerie zu hören.

Der Weg dorthin war lang: Mit elf Jahren fing Hünnemeier an Gitarre zu spielen. Vom Vater ließ er sich die ersten Griffe zeigen. Nur G-Dur habe der ihm völlig falsch beigebracht: Als Wehrmachtssoldat war ihm 1945 in der Nähe von Münster der Ringfinger "halb abgeschossen" worden, erzählt der Sohn. Und man denkt: Vielleicht schlummern auch in Hünnemeier irgendwo die Narben eines Generationenkonflikts. "You're still young and that's your fault, there's so much you have to know", singt er voller Inbrunst. Die Geschichte von "Father and Son" kann er im Schlaf herunterbeten: Ursprünglich habe Stevens das Lied für ein Musical geschrieben, das "Revolussia" heißen und von der Russischen Revolution handeln sollte. "Das ist aber nie zur Aufführung gekommen", da der Brite in der Zwischenzeit an Tuberkulose erkrankte.

Im Jahr 1976 lernte Hünnemeier die Musik seines späteren Idols kennen. Klar, die "komplexen Akkordfolgen" hätten ihn beeindruckt, sagt er. Und Stevens Stimme! Aber vor allem die Texte ließen ihn nicht mehr los, "die "Vergänglichkeit der Liebe", die dort so wunderbar verhandelt würde. Von der kann auch Hünnemeier, nun ja, ein Lied singen: "Ich habe vier Kinder von zwei Frauen." Seit 2009 verdient er den Bärenanteil seines Einkommens als Gitarrenlehrer. Er könne irgendwie davon leben, ja, "aber nicht gut!" Das schöne Glonner Fachwerkhaus, in dem der Musiker zu Hause ist, gehöre einem Schüler von ihm. "Ortsübliche Vergleichsmiete? Keine Chance!" Wie so viele Künstler gehört er zum Prekariat. Und wie so viele Künstler macht ihn das irgendwie unglücklich. Auf eine ganz janusköpfige Weise. Denn etwas anderes wolle er ja auch nicht machen. Immerhin liebt er das Unterrichten: Neulich stand er mit einem 14-jährigen Schüler auf einer Grafinger Bühne. "Applaus für Florian!", rief Hünnemeier dem Publikum zu, "es ist unglaublich, wie viele Fortschritte er in den letzten Jahren gemacht hat!" Er klang dabei so enthusiastisch. Ob er auch glücklich klang? Schwer zu sagen.

Die Entscheidung, die er einst traf, hat Götz Hünnemeier zumindest nie bereut: Bevor er sich mit Musik verdingte, arbeitete er in Landau als Bereichsleiter bei einem großen Elektromarkt. Dann sollte er befördert werden. Sein Job wäre es gewesen, überall in der Welt neue Filialen aufzubauen. Die erste Station: Göteborg. Paar Wochen später: Sankt Petersburg. Und so weiter. Kapitalistische Expansion eben. "Die Leute, die das gemacht haben, waren alle kaputt", erinnert er sich, "alkoholsüchtig und was sonst noch alles." Zu viel Stress, immer nur ein paar Wochen an einem Ort: Das nagt an der Psyche. Also sagte er nein, kündigte und zog aus der Südpfalz nach Glonn - in die Nähe seiner Eltern. Die erste Gitarrenstunde gab er der Frau eines guten Freundes. Ganz ohne Theorie und Noten - so, wie er es heute noch macht. "Ich muss die Musik hören", sagt Hünnemeier.

Die Idee zu den Cat-Stevens-Abenden kam von einem Bekannten: "Wenn du Cat Stevens singst", sagte er, "klingst du wie Cat Stevens. Wenn du Billy Joel singst, klingst du wie Cat Stevens, der Billy Joel singt." Als der Gitarrist dann die Biografie von Yusuf Islam las, kam ihm die zündende Idee: Konzerte, auf denen er nicht nur die Songs von Stevens singt, sondern auch aus dessen Leben erzählt. "Der hat nichts ausgelassen", sagt Hünnemeier über sein Alter Ego, "gerade in Sachen Drogen".

Irgendwo, tief in seinem Innern, habe auch er selbst eine destruktive Seite, sagt Hünnemeier. "Die bricht sich aber nicht Bahn." Mit 14 Jahren verehrte er den österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch und coverte viele seiner Songs. "Der hat sehr depressive Lieder gemacht." Trotz Raucherlunge hörte Hirsch nicht auf zu qualmen, 2011 stürzte er sich aus seinem Krankenhausfenster im vierten Stock. Dann wird Hünnemeiers Stimme plötzlich ganz leise. Er erzählt von seiner Mutter, die "schwer depressiv" gewesen sei. Im Jahr 2013 sei sie "in ihrer manischen Phase" gestorben. Es sind solche Geschichten, die man im ersten Moment nicht erwartet, wenn einem der lachende Götz Hünnemeier die Tür öffnet. Sogar auf dem Auto, das vor seiner Tür steht, klebt ein lustiger Spruch: "Es wird Zeit, neue Saiten aufzuziehen!"

Wo sieht sich Hünnemeier selbst in zehn Jahren? Wenn Cat Stevens mal nicht mehr ist, wolle er in dessen "Fußstapfen treten", sagt der Glonner Musiker. Und schiebt rasch hinterher, dass das natürlich nicht ernst gemeint sei, "ich würde nur einfach gern mal raus aus dem Gäu." Klar, es gebe viele andere Liedermacher mit demselben Vornamen, die bei der Google-Suche weiter oben stünden als er: Götz Widmann zum Beispiel. Oder Götz Alsmann. Aber man wird ja wohl noch ein bisschen träumen dürfen...

"Götz-Live": A Tribute to Cat Stevens, am Freitag, 28. Februar, um 19.30 Uhr in der Schrottgalerie Friedel in Glonn. Reservierung unter reservierung@schrottgaleriefriedel.de.

© SZ vom 27.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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