Kommunalwahl in Ebersberg:Im Fernduell

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In einer Woche entscheidet sich, wer Ebersbergs neuer Bürgermeister wird. Im Telefoninterview sprechen Alexander Gressierer und Uli Proske über Wahlkampf in Zeiten von Corona und ihre Agenda

Von Wieland Bögel

Normalerweise wäre jetzt intensivster Wahlkampf: Händeschütteln, Blumen verteilen, möglichst viele Leute treffen. Die beiden Bewerber für das höchste Amt der Kreisstadt können indes nichts dergleichen tun. Auch die von der SZ geplante Podiumsdiskussion mit Alexander Gressierer (CSU) und Uli Proske (parteilos, von der SPD nominiert) muss ausfallen. Stattdessen gibt es ein Telefoninterview, die Kandidaten und der Interviewer sind dabei bei sich zu Hause.

SZ: Was machen Bürgermeisterkandidaten, wenn man nicht raus darf? Wie kommt man an die Wähler ran?

Uli Proske: Das ist genau das Problem. Ich muss arbeiten, die ganzen Vorbereitungen treffen: Dienstlich in der Wasserversorgung und natürlich den Notfallplan für die Feuerwehr umsetzen. Anderes geht jetzt einfach nicht, der Wahlkampf findet online statt, aber ansonsten nicht.

Alexander Gressierer: Ich glaube, das ist jetzt auch die Verantwortung von uns Kandidaten, zu sagen, jetzt ist die Gesundheit wichtiger als Wahlkampf. Man muss auch schauen, dass man Handlungsfähigkeit in Zukunft für Ebersberg sicherstellt. Dazu haben wir einen Antrag für den Stadtrat gestellt, uns damit auseinanderzusetzen, was heißt das für uns mittel- und langfristig in wirtschaftlicher Perspektive für die Stadt Ebersberg. Es sind, das hat auch Ministerpräsident Söder gesagt, einige Einschränkungen zu erwarten, da ist es die Verantwortung der Politik, sich darauf vorzubereiten - nicht auf Biegen und Brechen noch 200 Hände zu schütteln.

Proske: Genau, es geht darum seine Pflichten zu erfüllen, ich muss auf alle Fälle meine Arbeiten erledigen, damit es bestmöglich reibungslos bis zum Ende funktioniert. So dass wir immer irgendwie einsatzklar sind. Das ist eine ziemlich große Herausforderung.

Wenn die Krise irgendwann vorbei ist, wird es auf den Straßen wieder voll, und das ist in Ebersberg ein großes Thema. Was muss passieren, dass man die Innenstadt von zu viel Verkehr befreien kann?

Proske: Wie man bei mir schon immer lesen und hören konnte: Es gilt Außen vor Innen. Die Ableitung über die B15 zur B12 über die A94 und auch die Albachinger Strecke. Da muss man noch ein paar dicke Bretter bohren, weil das jetzt Kreisstraßen von Rosenheim und Mühldorf sind, die müssten aufgestuft werden zur Staatsstraße. Das können wir als Ebersberger natürlich alleine nicht bewegen, da brauchen wir Verbündete, das Straßenbauamt Rosenheim und in letzter Konsequenz die Regierung von Oberbayern. Die müssen alle mitspielen, das wird dauern aber nur das kann uns relativ schnell eine Lösung bringen, dass es für uns besser wird. Aber es ist auch feststellbar, dass wir seit Eröffnung des letzten Teils der A94 weniger Schwerlastverkehr in Ebersberg haben. Es hat sich also schon was getan, diese Entwicklung müssen wir einfach noch verstärken.

Gressierer: Die überörtliche Variante bietet sich natürlich an, wenn man sie denn durchsetzen kann. Da ist es schon wichtig, auch die Möglichkeiten zu haben, in unterschiedlichen politischen Ebenen und auch gemeinsam mit anderen Landkreisen vernetzt zu arbeiten. In Ebersberg selber müssten wir schauen, dass wir uns nicht nur aufs Auto konzentrieren, sondern auch andere Verkehrsmittel anschauen. Gemeinsam mit dem Landrat und MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch haben wir ja das Thema Ausweichgleis für den S-Bahn-Abschnitt nach Ebersberg angesprochen und Druck gemacht, dass man sich des Themas baldmöglichst annimmt. Wir brauchen zumindest einen zuverlässigen 20-Minuten-Takt, das würde beim derzeit starken Pendlerverkehr schon eine Entlastung auf den Straßen bringen. Beim Schwerlastverkehr kommen wir nicht darum herum in Ebersberg selbst tätig zu werden. Wie schon dargestellt, ist die von uns favorisierte Variante der Tunnel, der mittig und am östlichen Stadtrand von Ebersberg ansetzt. Diese Strecke hat eine Studie des Straßenbauamtes zur oberirdischen Umfahrung 2009 bereits als beste ermittelt. Wir müssen da mit einem klaren Plan in Vorleistung gehen. Wenn 2022 der Staatsstraßenausbauplan fortgeschrieben wird, soll nicht das passieren, was 2009 der Fall war: Das Straßenbauamt bringt Vorschläge, die gefallen uns nicht, aber wir haben auch keine besseren.

Alexander Gressierer (Foto) und Uli Proske wollen der neue Bürgermeister von Ebersberg werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Was wäre denn ein realistischer Zeitplan für eine Umfahrung?

Proske: Der Straßenausbauplan wird 2025 fortgeschrieben. Bei einer Umfahrung, einem Tunnel, einer Brücke wo und wie auch immer, reden wir von 20 bis 30 Jahren bis in der Richtung irgendwas vorwärtsgeht. Darum müssen wir zuallererst den Verkehr überörtlich leiten. Aber es ist schon richtig, wir müssen selber auch Varianten entwickeln. Ob es dann die eine oder andere wird, das muss eine Studie zeigen. Was es mit mir sicher nicht geben wird, das ist eine überirdische Ostumfahrung.

Gressierer: Den letzten Satz mit der Ostumfahrung ohne Tunnel, den unterschreibe ich sofort. Beim Zeitplan sollten wir schauen, was wir als Stadt leisten können. Gas geben, Druck machen bei den zuständigen Stellen. Man hat es jetzt gesehen bei der Amtsgerichtskreuzung, da haben wir den Antrag gestellt und es gibt sehr positive Nachrichten vom Straßenbauamt. Das müssen wir weiter machen, unsere Kontaktmöglichkeiten nutzen, um für Ebersberg etwas zu bewirken.

Für manche in Ebersberg war ja die Ostumfahrung auch Gewerbeförderung, weil sie die beiden Gewerbegebiete gut verbindet. Sie sind beide nicht dieser Meinung, aber wie soll die Gewerbepolitik in Ebersberg künftig aussehen?

Gressierer: Die große Herausforderung ist ja nicht, das Gewerbe an sich, sondern, dass man den Betrieben die Möglichkeit gibt, sich auch zu entwickeln. Etwa sogenannte "intelligente" Gewerbe, also der digitale Bereich. Da werden wir mit dem Gigabit-Projekt im Gewerbegebiet Nord einen wichtigen Meilenstein setzen. Insgesamt ist es notwendig, nicht nur den Fokus auf den Großbetrieb zu richten, sondern die kleinen Handwerksbetriebe in der Gewerbeentwicklung mitzunehmen. Wenn es um die Verfügbarkeit von neuen Gewerbeflächen geht, muss man effizient mit den Flächen umgehen. Etwa indem man Reinvestitionsmöglichkeiten schafft: Wenn jemand neue Gewerbeflächen zur Verfügung stellt und das Geld dann in Sozialen Wohnungsbau investieren kann, damit würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Proske: Unser Gewerbe hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt stehen und das ist sehr gut. Andererseits haben wir im Gewerbegebiet Nord aktuell fast 30 000 Quadratmeter Fläche, die brachliegen, oder nicht optimal genutzt werden. Der ehemalige TÜV zum Beispiel. Dann haben wir natürlich auch Firmen, die nach Ebersberg wollen. Und die muss man mit den Eigentümern an einen Tisch bringen, bevor man anfängt nur einen Quadratmeter neue Fläche zu versiegeln. Zum anderen, das habe ich von einem Treffen mit Selbständigen aus Ebersberg mitgebracht, gibt es den großen Wunsch nach Co-Working-Spaces. Wir haben einige Start-Ups, die lechzen nach Möglichkeiten, dass sie sich verbinden können. Das wären ganz große Chancen, dass da was vorwärtsgeht.

Auch ein wichtiges Thema ist die Stadtentwicklung, wie soll es mit Ebersberg weitergehen?

Proske: Wir sind ja wegen der Topografie relativ begrenzt nach außen, da geht irgendwann nichts mehr. Und wir haben bestimmte Stadtteile, wie Friedenseiche, die kann man nicht mehr nachverdichten. Andere, wie Hupfauer Höhe, muss man sich anschauen, was möglich ist. Ich möchte das Wort Quartiersmanager nicht überstrapazieren, aber man muss mehrere Dinge zusammenbringen, wie Wohnen und Nahwärmeversorgung. Es wird auch sicher höher werden, als bisher, in die Breite können wir nicht mehr gehen. Und man muss, wenn man etwas machen will, von Anfang an auf die Stadt und die Nachbarn zugehen, sie einweihen. Damit man ein gutes Miteinander hat und schaut, was reinpasst und was nicht.

Am Sonntag in einer Woche wird ausgezählt, die Abstimmung läuft bereits, denn diesmal gibt es ausschließlich Briefwahl. Dnan entscheidet sich, ob Proske gesonnen hat. Auch der Wahlkampf läuft derzeit sehr anders, als man es gewohnt ist. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gressierer: Der Dialog besonders mit den Anwohnern ist selbstverständlich. Bei der Nachverdichtung ist es mir wichtig, dass man eine intelligente Stadtteilplanung betreibt. Dass man über Bebauungspläne den Stadtcharakter erhalten und ein dezentrales Versorgungsangebot sicherstellen kann. Das ist insbesondere für Ältere ganz besonders wichtig. Potenzial sehe ich bei der Straßenmeisterei, in der zentralen Lage kann ich mir effizientere Nutzung vorstellen als eine Halle, zum Beispiel sozialen Wohnungsbau. Einfach im Reihenhausstil am Stadtrand etwas hinklatschen, wie es andere Gemeinden machen, und schauen, wie es sich entwickelt, das sehe ich auch nicht. Die Infrastruktur muss ja Schritt halten können, da ist moderates Wachstum sinnvoll.

Derzeit läuft der Architektenwettbewerb für das Hölzerbräugelände. Was wären Ihre Wünsche?

Gressierer: Unbedingt berücksichtigen müssen wir in der Planung das Feuerwehrgelände. Beim Hölzerbräugelände selbst heißt für mich das Credo Mischnutzung, einen Gegenpol zum Einkaufszentrum schaffen und den Marienplatz als Zentrum zu stärken. Im Stadtrat haben wir parteiübergreifend gesagt, da muss eine Tiefgarage entstehen, um den Marienplatz attraktiver für Fußgänger und Radfahrer zu machen. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis des Wettbewerbs. Vergangene Projekte haben gezeigt, dass man mit dem Siegerentwurf immer sehr kooperativ weiterarbeiten konnte. Das erwarte ich hier auch, dass es zu etwas wird, mit dem sich die Ebersberger identifizieren können.

Proske: Ich bin auch gespannt, was beim Wettbewerb rauskommt. Mir war schon klar, als der Hölzerbräu verkauft wurde, dass das Feuerwehrhaus da nicht bleiben kann, egal was da hinkommt. Danke Alex, für die Unterstützung in dem Punkt. Ich habe auch schon mit zwei Ebersbergern Kontakt aufgenommen und Vorarbeit geleistet, dass der jetzige Bürgermeister schon die ersten Gespräche führen konnte, ob man das Feuerwehrhaus auf dieses oder jenes Gelände baut.

Eine Frage zum Schluss: Was muss es in Ebersberg unbedingt geben, was es noch nicht gibt?

Proske: Mehr Angebote für Jugendliche. Wir haben eine bestimmte Altersgruppe, so von zwölf bis 17, die wissen nicht so recht, wohin in Ebersberg. Und wir haben eine wachsende Szene an Rechtsradikalen, diese Entwicklung müssen wir bestmöglich bekämpfen. Was uns in Ebersberg sonst abgeht, was ich immer wieder von den Leuten höre, sind Begegnungsorte. Etwa ein Lagerfeuerplatz oder ein Minigolfplatz. Etwas, wo man sich draußen treffen kann, wo man mit den Kindern hingehen kann, das geht uns einfach ab. Auch Projekte für Senioren, WGs zum Beispiel, wären Baustellen, dass man Ebersberg ein bisschen liebenswerter macht.

Gressierer: Wie es auch schon in unserem Wahlprogramm steht, wollen wir konkrete Projekte im Umwelt und Klimaschutz leisten. Als Geschäftsführer vom Vereinskartell, bekomme ich außerdem mit, wie viele sich ehrenamtlich engagieren. Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass sich Vereine und Ehrenamtliche darauf verlassen können, dass der Bürgermeister und der Stadtrat auch verlässlich und kontinuierlich hinter dieser ehrenamtlichen Arbeit stehen. Das würde ich als Bürgermeister stärken. Der Dialog zwischen den Generationen ist mir ein persönliches Anliegen, die unterschiedlichen Generationen miteinander zu vernetzen. Und nachdem ich im Wahlkampf seit ungefähr einem Jahr höre, dass ich viel zu jung bin, freut es mich immer, wenn jemand sagt, die Jugend ist wichtig.

Proske: Nach 33 Feuerwehr-Dienstjahren bin ich natürlich unbedingt dabei, dass das Ehrenamt gestärkt und geschützt werden muss, das ist selbstverständlich.

© SZ vom 21.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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