Kommentar:Weichen richtig gestellt

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In der Vergangenheit hat die Politik in Grafing dem Thema Kinderbetreuung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Immerhin aber hat der Stadtrat nun Konsequenzen aus der Notsituation gezogen

Von Thorsten Rienth

Wer mit Grafinger Familien über die aktuelle Krippensituation spricht, hört heftige Geschichten. Sie handeln beispielsweise von einer Beziehung, die ernsthaft auf der Kippe steht, weil einer von beiden beruflich zurückstecken muss. Von einer Alleinerziehenden, die ihre Einjährige nicht ins Uni-Seminar mitnehmen kann - weshalb ein Abbruch der Weiterbildung droht. Von Eltern, die sich um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz betrogen fühlen. Natürlich ist die Tonart hochemotional. Das darf auch so sein. Es geht um die Kinder-, Familien-, Karriereplanung, kurz: die Lebensplanung.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wo in Grafing in den vergangenen Jahren der entscheidende Fehler passierte. Es gibt ihn wahrscheinlich nicht einmal. Fakt ist allerdings, dass 24 Grafinger Stadträte plus Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) das entscheidende Gremium bilden für Bedarfsanerkennung, Finanzierung und Schaffung von neuen Kita-Plätzen. Und hier erfuhr die Betreuungsproblematik über einen viel zu langen Zeitraum viel zu wenig politische Unterstützung. Sei es, weil einer Mehrheit das neue Gewerbegebiet wichtiger war, der ausgebaute "Aiblinger Anger" oder die Sportstättenanbindung. So entstanden Altlasten, die sich nun zusammen mit steigenden Betreuungsquoten zu langen Wartelisten aufsummieren - und einen enormen Ärger aus der Elternschaft reflektieren.

Tatsächlich zeigt dieser in Bürgerfragestunden und zahlreichen E-Mails an Rathaus und Fraktionen adressierte Frust nun Wirkung. In überparteilicher Einigkeit - hervorragend zielorientiert, erfrischend unkompliziert - stellte der Stadtrat am Dienstag die Weichen für eine Containerlösung. Natürlich ist sie nicht optimal, das sind Containerlösungen nie. Aber sie schaffen von Herbst an die dringend benötigte Entlastung.

Dem muss aber jetzt die Diskussion folgen, wie Grafing derartige Engpässe künftig zu vermeiden gedenkt. Zum Beispiel über klare Planungsaufschläge auf die Kita-Platzprognosen oder Zulagen fürs Fachpersonal, an dem der Kita-Ausbau mithin genauso scheitert wie an fehlendem Baugrund oder mangelndem politischem Bewusstsein. Letzterem ließe sich womöglich auf die Sprünge helfen, würden auch einmal ein paar Eltern mit Unter-Dreijährigen in den Stadtrat gewählt. Diese Gruppe ist zurzeit in Grafing überhaupt nicht vertreten. Dabei ist es jene, die mitten im Leben steht.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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