Kommentar:Wege und Irrwege

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Wenn der Vaterstettener Gemeinderat bei Sozialmieten für einen Ausfall bürgen will, könnte das Schule machen

Von Wieland Bögel

Wer sich dafür einsetzt, Menschen nicht nur aus der Obdachlosigkeit zu holen, sondern sie davor zu bewahren, überhaupt obdachlos zu werden, verdient großes Lob. Insofern ist die Gemeinde Vaterstetten zu loben, dass sie neue Möglichkeiten sucht, wie sie mehr tun kann, als ihrer gesetzlichen Pflicht zur Unterbringung nachzukommen und bedürftigen Menschen ein angemessenes Dach über dem Kopf zu bieten. Der nun im Gemeinderat eingeschlagene Weg, dieses Ziel zu erreichen, indem man einem Vermieter eine Ausfallbürgschaft gewährt, wenn er an eine bedürftige Familie vermietet, ist indes der falsche - wenn auch der bequemere.

Die Vorteile dieser Lösung sind zunächst offensichtlich. Die betroffenen Mieter bekommen ihre Wohnung, der Vermieter seine Garantie und die Gemeinde spart sich eine Menge Arbeit. Diese hätte die Verwaltung, würde Vaterstetten selbst eine Immobilie anmieten und als Untervermieter für Bedürftige auftreten. Mietverträge müssten abgeschlossen, Strom-, Wasser- und Handwerkerrechnungen bezahlt werden und vieles mehr. Besser man lässt diese Dinge zwischen Hausbesitzer und Hausbewohner laufen, was auch den charmanten Vorteil hat, dass man sich im Falle des Falles nicht um Nachmieter kümmern muss, sollte der Untermieter früher als erwartet ausziehen. Also eigentlich eine Win-win-win-Situation für alle drei Beteiligten: Die Bedürftigen bekommen ihr Obdach, der Vermieter sein Geld und die Gemeinde kommt ihren Fürsorgepflichten nach.

Dennoch sendet die Entscheidung des Gemeinderates ein ungutes Signal. Nämlich, dass es für Hausbesitzer eigentlich ein unzumutbares Risiko ist, an sozial schwache Menschen zu vermieten. Ein Risiko, das gefälligst von der öffentlichen Hand abgemildert werden soll, wie eben nun in Vaterstetten. Wenn die Gemeinderäte nun den Einzelfallcharakter der Entscheidung betonen, ist das eher Wunschdenken. Denn ob das so ist, wird die Zeit zeigen. Man kann sich aber nach der Entscheidung in diesem angeblich so einmaligen Fall trotzdem Gedanken machen über ein "Was wäre denn?"

Was wäre denn, wenn sich nächste Woche, nächsten Monat oder erst nächstes Jahr der nächste Vermieter mit einem ähnlichem Ansinnen bei der Gemeinde meldet? Verbunden mit der unterschwelligen Drohung, ohne Bürgschaft müsse er die Bedürftigen leider aus der Wohnung werfen, dann könne die Gemeinde ja schauen, wo sie bleiben. Ob es so kommt, ist natürlich nicht sicher. Sicher ist allerdings, dass, wenn es so kommen sollte, die Gemeinde keine andere Wahl hätte, als dem Ansinnen nachzukommen. Den Weg dahin hat der Gemeinderat nun geebnet.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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