Kommentar:Respektable Entscheidung

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Die Volkshochschule verlangt von Geringverdienern nur noch einen Euro für die Doppelstunde. Das verdient Beifall

Von Konstantin Schätz

Nieder mit den finanziellen Hürden für Schlechtverdiener! Was in der Zweckverbandsitzung der VHS Ebersberg-Grafing am vergangenen Mittwoch beschlossen wurde, klingt doch erst einmal gut. Statt der üblichen acht bis neun Euro pro Doppelstunde müssen einkommensschwache Personen vom kommenden Semester an nur noch einen Euro für die Teilnahme an Erwachsenenbildungskursen zahlen. Angestoßen hat den Sinneswandel die Auswertung der Ermäßigungsstatistik: Gerade einmal sieben von 6500 Kursteilnehmern werden als "einkommensschwach" geführt. Für alle Zahlenfans: Das entspricht einem Anteil von 0,1 Prozent.

Es scheint also geboten, zu handeln, und so zog die VHS Grafing-Ebersberg den Kollegen aus dem Norden des Landkreises München nach, die ihrerseits nach der Auseinandersetzung mit der Statistik zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Dort allerdings zahlen Geringverdiener nun gar nichts mehr, und so sind aus zehn schlecht verdienenden Teilnehmern mittlerweile 100 geworden. Noch einmal für Zahlenfans: Das ist das Zehnfache.

Beim Blick auf diesen Effekt darf die Frage allerdings gestellt werden, wieso die VHS Ebersberg-Grafing nicht auch komplett auf Kostenfreiheit umstellt. Ist es wirklich so, dass nur das zählt, was etwas kostet? Hat Markt Schwabens Bürgermeister Hohmann Recht mit seiner Befürchtung? Warum sollte das so sein? Schließlich zeigt ja das Beispiel aus dem Nachbarlandkreis, dass ein endgültiges Niederreißen von finanziellen Hürden funktioniert, dort wird es tatsächlich dankend angenommen. Und sind nicht 15 Euro, hoch gerechnet auf einen gesamten Kurs, für einen Hartz IV-Empfänger immer noch eine Ausgabe, über die er nachdenken muss? Auch die Beschränkung der Neuerung auf zwei Jahre wirkt etwas zaghaft, schließlich lässt sich so etwas ja auch wieder abschaffen, wenn es nicht funktioniert.

Und doch sollte der VHS Beifall für ihre Entscheidung gezollt werden, ist doch oft genug von der Bildungsschere die Rede, die zwischen Gut- und Schlechtverdienenden liegt. Die VHS hat genau hingeschaut, sich selbst auf den Prüfstand gestellt und dann nicht nur lamentiert, sondern auch gehandelt. Respekt dafür, zumal sie die Kosten für die Entscheidung ja wohl zum Teil selbst tragen muss. Der verbleibende Beitrag von einem Euro für die Doppelstunde wird doch in diesem Zusammenhang nur als Kosmetik zu sehen sein. Zum Schluss für alle Zahlenfreunde noch eines: Jeder weitere einkommensschwache Kurs-Teilnehmer bedeutet eine Zunahme von fast 29 Prozent.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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