Kommentar:Rasender Stillstand

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Seit eineinhalb Jahren wird das Gewerbeprojekt nördlich der A94 immer wieder im Vaterstettener Gemeinderat und seinen Ausschüssen behandelt, und immer pressiert es. Die Zeitpläne werden aber verlässlich nicht eingehalten.

Von Wieland Bögel

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben - ob Michail Gorbatschow diesen Satz wirklich so gesagt hat, ist umstritten, in Vaterstetten könnte er aber gut als Motto für das Gewerbeprojekt nördlich der A 94 durchgehen. Seit eineinhalb Jahren wird das Vorhaben immer wieder im Gemeinderat behandelt, und immer pressiert es. Mit jeder Beschlussvorlage wird ein Zeitplan präsentiert, der unbedingt eingehalten werden muss - und es dann doch nicht wird. Ob das Taktik ist oder Pech, bleibt dabei genauso unklar wie die Antwort auf die Frage, ob dieser rasende Stillstand dann am Ende einen kapitalen Fehler produziert.

Denn die Verhandlungen mit dem Freistaat um einen für das Vorhaben nötigen Grundstückstausch laufen weitgehend hinter verschlossenen Türen ab. Und zwar nicht nur für die Öffentlichkeit - was noch mit der Gemeindeordnung zu begründen wäre, auch wenn das Ausmaß der Heimlichtuerei schon eine sehr freie Auslegung nötig macht - sondern auch für die Mitglieder des Gemeinderates. Dort wurden nun erneut Zahlen, Zeitpläne und Risiken des Projekts diskutiert, welche die Damen und Herren im Gremium nicht etwa von der Verwaltung bekommen haben, sondern sich aus Gerüchten und Andeutungen zusammenreimen mussten. Was sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrief: Die CSU wittert Geheimnisverrat, SPD und Grüne beklagen, dass man von der Verwaltung im Unklaren gelassen werde. Beides hat natürlich mit den grundsätzlichen Einstellungen zu dem Projekt zu tun. Während SPD und Grüne es eher kritisch betrachten, wollen es CSU, FDP und Teile der Freien Wähler unbedingt - auch um jeden Preis? Das wird sich - zumindest wenn der aktuellste Zeitplan eingehalten wird - in den nächsten zwei bis drei Monaten zeigen. Dann soll endlich ein Angebot des Freistaats vorliegen.

Die Frage ist nun, wie weit der Gemeinderat bereit ist zu gehen. Bis 100 Millionen, bis 120, 150 oder mehr? Und auf welcher Basis entschieden werden soll. Ab welchem Betrag wird das Geschäft unrentabel? Und welche Informationen bekommen die Gemeinderäte von ihrer Verwaltung, um dies beurteilen zu können? - Von einer Verwaltung, die in der Vergangenheit ein sehr spezielles Verhältnis zur Weitergabe von Informationen an den Tag gelegt hat, auch und gerade an die gewählten Vertreter der Steuerzahler. Nicht zuletzt steht die Frage im Raum, ob die langen Verhandlungen die Schmerzgrenze nach oben treiben, nach der Devise, jetzt sind wir schon so weit gekommen, jetzt lassen wir es nicht an ein paar Millionen scheitern. Der Satz übrigens, den Gorbatschow damals in Berlin wirklich gesagt haben soll, lautet: "Ich glaube, Gefahren lauern nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." Was vielleicht ein besseres Motto für das Gewerbeprojekt wäre.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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