Kommentar:Passende Versuchsanordnung

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Die Rechtslage zu einer Photovoltaik-Pflicht bei Neubauten ist noch sehr vage - aber gerade darum sollte der Stadtrat dafür votieren

Von Wieland Bögel

Sollte, ja darf, eine Kommune vorschreiben, dass bei Neubauten eine Solaranlage mit errichtet wird? Unter den Ebersberger Stadtratsmitgliedern ist nur eine ganz knappe Mehrheit nicht dagegen. Konkret geht es um eine geplante Photovoltaik-Pflicht im neuen Baugebiet Friedenseiche VIII, die einige für verfrüht halten. Die Rechtslage sei zu uneindeutig - aber gerade darum sollte der Stadtrat für die PV-Pflicht votieren.

Das neue Baugebiet wäre eine ideale Versuchsanordnung, um verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der PV-Vorgabe zu klären. Einerseits rechtliche, denn die Sache ist auch für das bayerische Bauministerium und die Verwaltungsgerichte komplett neu. Bis es hier erstens Vorgaben aus dem Ministerium und zweitens letztinstanzliche Entscheidungen gibt, kann es Jahre dauern. Andererseits könnte sich in dem Baugebiet auch zeigen, ob die praktische Seite funktioniert. Das von der Verwaltung vorgeschlagene Procedere mit einer Art verpflichtenden Ausschreibung der Hausdächer für Solaranlagenbetreiber klingt nicht nur kompliziert sondern ist es wohl auch. Was eben an der rechtlich noch nicht ganz geklärten Frage liegt, ob eine Kommune eine PV-Pflicht erlassen darf.

Wobei, in diese Richtung geht auch eine Stellungnahme des Bauministeriums: Grundsätzlich dürfen Städte und Gemeinden einiges in ihre Bebauungspläne hineinschreiben. Ob es um die Farbe von Fensterstöcken oder die Dachneigung von Mülltonnenhäuschen geht, der Fantasie der Bauämter und Gremien sind da wenig Grenzen gesetzt. Ob mit einer Solarpflicht eine solche erreicht würde, könnte sich nun bei Friedenseiche VIII zeigen, das Baugebiet könnte wegen seiner besonderen Eigenschaften zu einem Präzedenzfall mindestens für Ebersberg werden.

Denn zum einen handelt es sich hier um ein besonderes Wohngebiet: Die Stadt gibt die Grundstücke vergünstigt ab, Einheimischenbaugebiet hieß das früher. Wer solche Grundstücke haben will, muss bestimmte Kriterien erfüllen, etwa Obergrenzen bei Einkommen und Vermögen einhalten, eine gewisse Zeit am Ort wohnen und sich möglichst auch ehrenamtlich engagieren. Warum also nicht noch eine Solarvorgabe hinzufügen - der Preisvorteil beim Grunderwerb dürfte den dadurch einhergehenden Mehraufwand wohl mehr als kompensieren. Zum anderen gälte die PV-Pflicht vermutlich nur für 15 Gebäude, was, sollte ein Verwaltungsgericht am Ende doch gegen die PV-Pflicht entscheiden, kein großer Verlust für die Energiewende, aber für die Planer kommender Projekte unter Umständen ein großer Gewinn wäre - von Erkenntnis, wie es geht und wie nicht.

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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