Wohnungsmarkt:Erst ziehen die Familien weg, dann die Firmen

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Die Immobilienpreise rund um München erreichen schwindelnde Höhen, zunehmend auch im Landkreis Ebersberg (Symbolfoto). (Foto: dpa)

Wenn nicht bald etwas gegen die steigenden Immobilienpreise getan wird, können sich den Landkreis Ebersberg selbst Top-Verdiener nicht mehr leisten.

Kommentar von Wieland Bögel

Was muss man tun, um 300 000 Euro in einem Jahr zu verdienen? Die Antwort lautet: Gar nichts. Denn laut einer aktuellen Studie hat jemand, der vor einem Jahr in Vaterstetten ein Anwesen für 1,5 Millionen Euro kaufte, heute eines für 1,8 Millionen, also 300 000 Euro verdient. Dies mag wie ein extremer Fall klingen, ist es aber nur in absoluten Zahlen.

Der Wertzuwachs bei Immobilien im Landkreis ist nicht nur in Zeiten niedriger Zinsen beeindruckend: Er liegt bei bis zu 20 Prozent innerhalb eines Jahres. Das sind Gewinne, die man vielleicht beim Handel mit illegalen Rauschmitteln, Waffen oder bei sonstigen dunklen Geschäften vermutet oder mindestens bei hochriskanter Börsenjonglage. Stattdessen kann man - das nötige Startkapital vorausgesetzt - ohne viel Arbeit und nahezu risikolos ein Vermögen scheffeln. Nur, dass dafür nicht gearbeitet würde, ist doch nicht ganz richtig, denn wenn am Immobilienmarkt Profit abgeschöpft wird, dann einer, der auf Kosten der Allgemeinheit erwirtschaftet wird.

Zahlen müssen nämlich die anderen, also jene, die die überteuerten Häuser und Wohnungen kaufen oder mieten, weil sie es müssen - so lange sie noch können. Das wird für immer mehr Leute, auch solche mit eigentlich gut bezahlten Jobs, ein echtes Problem. Was mittel- und langfristig auch für die Region eines werden könnte. Schließlich profitiert die öffentliche Hand derzeit noch ganz gut vom Boom rund um München, der die Region jährlich um die Bevölkerungszahl einer Kleinstadt wachsen lässt.

Doch irgendwann lohnt sich der Zuzug in die Wohlstandsregion nicht mehr. Was nützt ein Top-Gehalt, wenn davon Top-Top-Mieten oder Hauspreise bezahlt werden müssen? Manche werden sich da anderswo umtun, wo vielleicht die Zahl auf dem Gehaltszettel etwas, die Miete aber deutlich niedriger ist. Auch Firmen könnten versucht sein, in günstigere Regionen auszuweichen, wenn sie in München und Umland keine Leute mehr finden, weil diese keine Wohnungen mehr finden. Nur die Kommunen können nicht nachziehen, wenn Wirtschaft und Menschen den hohen Preisen den Rücken kehren. Daher sollten Städte und Gemeinden das Wohnen nicht dem freien Spiel des Marktes überlassen und deutlich mehr als bisher in bezahlbare Immobilien investieren.

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:Im Osten was Neues

Wer sich im Landkreis eine Immobilie zulegen möchte, wird am ehesten noch Richtung Ebersberg fündig. Dort steigen die Preise zwar - wie überall in der Region - aber noch etwas langsamer als in den westlichen Gemeinden

Von Wieland Bögel

Die Möglichkeiten wären durchaus vorhanden. Und das ist das Reizvolle an der Idee: Gerade wenn die Immobilienpreise durch die Decke schießen, können sich die Kommunen ihren Teil am Profit sichern. Etwa über das Mittel der sozialgerechten Bodennutzung, kurz gesagt eine Art von Sonderabgabe an Stadt oder Gemeinde, die anfällt, wenn auf dem Immobilienmarkt Profite erzielt werden. Ebenfalls möglich sind städtebauliche Verträge, die einem Investor etwa auferlegen, als Gegenleistung für die Genehmigung eines profitablen Bauprojekts einen Teil davon als Sozial- oder Gemeindewohnungen zu erstellen.

Einige dieser Möglichkeiten werden im Landkreis schon genutzt, allerdings ist hier noch viel Luft nach oben. Diese auszunutzen und den Ertrag daraus in bezahlbare Wohnungen zu investieren, wäre im Sinne der Kommunen und der Allgemeinheit - und, im Gegensatz zu anderen Einnahmequellen, sprudelt diese, einmal richtig angezapft, von ganz alleine.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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