Kommentar:Kampf um die Deutungshoheit

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Bei der Forderung nach Lärmschutz an der Bahn scheint es einen Überbietungswettstreit der großen Fraktionen zu geben. Den Anwohnern könnte dies am Ende aber vielleicht nützen

Von Barbara Mooser

Vor ein paar Wochen hatte die CSU im Umweltausschuss des Kreistags einen, um es vorsichtig auszudrücken, etwas uneleganten Auftritt: Drei Kreisräte aus ihren Reihen hatten einen Antrag zum Bahnverkehr vorgelegt, der bei den anderen Fraktion vor allem Hohn und Spott erntete, so unausgegoren und durcheinander war der Inhalt. Die CSU selbst zog den Antrag wieder zurück. Man hat fast den Eindruck, die SPD hätte nach dieser Diskussion die Schlussfolgerung gezogen: "Das können wir noch schlechter!" Denn diesmal hatten die meisten Kreisräte zu Beginn der Sitzung nicht einmal eine Ahnung, worum es in dem Eilantrag überhaupt gehen sollte - der Einwurf von SPD-Fraktionschef Albert Hingerl, er habe das Papier aber rechtzeitig um 14.15 Uhr im Landratsbüro abgegeben, machte nur noch deutlicher, mit welcher Hektik der Antrag zusammengeschustert worden sein muss.

Dabei erschloss sich in der Tat nicht, wieso die SPD zu diesem Zeitpunkt mit diesem Antrag daher kam. Denn dass auf der Strecke zum Brenner eine Blockverdichtung geplant ist, ist seit spätestens 2014 bekannt, seit Sommer steht dieses Ansinnen auch im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. Das weiß keiner besser als der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer. Er könnte Details über den Brennerzulauf inzwischen wahrscheinlich aufzählen, wenn man ihn mitten aus dem Tiefschlaf wecken würde; er hat die drohenden Probleme auf der Zulaufstrecke bereits erkannt, als andere Politiker noch versicherten, der Brenner-Basistunnel werde eh niemals gebaut.

Es drängt sich die Vermutung auf, dass die SPD mit ihrem Vorstoß nun eben diese Deutungshoheit zurückerobern will. Denn tags zuvor hatte ausgerechnet Schurers CSU-Kollege Andreas Lenz mit der guten Nachricht punkten können, dass er im Gespräch mit dem Bundesverkehrsminister doch noch eine Lärmschutzwand an der Bahn bei Schammach heraushandeln konnte.

Für die Menschen im Landkreis ist diese neue Konkurrenz nicht unbedingt ein Nachteil: Sie können sich darüber freuen, dass sich beide Abgeordnete für sie ins Zeug legen und bei diesem Thema an einem Strang ziehen. Und eins hat die mühsame Diskussion am Montag immerhin ergeben: Sie tun das mit der Rückendeckung des Kreistags.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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