Kommentar:Gentrifizierung per Kitamangel

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In Zorneding scheinen Bürgermeister und Gemeinderat das kleine Einmaleins der Ortsplanung verschlafen zu haben. Wer Baugebiete ausweist, sollte damit rechnen, dass Familien mit kleinen Kindern kommen

Von Karin Kampwerth

Zur Gentrifizierung braucht es keine skrupellosen Vermieter, die ihre Wohnungen luxussanieren und damit den sozioökonomischen Strukturwandel eines Quartiers vorantreiben. Gentrifizierung passiert auch, in dem die Infrastruktur an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei- oder auch gar nicht geplant wird. Dieser Eindruck verschärft sich in Zorneding, denn dort scheinen Bürgermeister und Gemeinderat das kleine Einmaleins der Ortsplanung verschlafen zu haben. Und das geht so: Wer Baugebiete ausweist, sollte damit rechnen, dass es eher die jüngeren Familien mit kleineren Kindern sind, die sich Eigentum anschaffen. Was auch logisch ist, denn Eltern, deren Kinder studieren oder in die Ausbildung gehen, brauchen kein Haus mit einem Garten zum Spielen mehr.

Wenn nun das Reihenmittelhäuschen in diesen Baugebieten eine halbe Million Euro aufwärts kostet, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Käufer Doppelverdiener sein könnten, die in der Folge für ihre Kinder einen Betreuungsplatz benötigen. Wer in den ganz neuen Neubaugebieten allerdings den Bau von luxuriösen Doppelhaushälften zulässt, die 1,5 Millionen Euro kosten, könnte darauf spekulieren, dass hier Familien einziehen, in denen ein Elternteil in Größenordnungen verdient, die dem anderen Elternteil das Daheimbleiben gestattet. Ein Kitaplatz wäre demnach nicht von existenzieller Bedeutung. Für die Gentrifizierung bedeutet das allerdings, dass man sich Zorneding leisten können muss. Nicht nur, was die Immobilienpreise betrifft, sondern inzwischen auch, was den Mangel an Kitaplätzen betrifft.

52 auswärts untergebrachte Kinder sollten für Bürgermeister und Gemeinderat nun aber Weckruf genug sein, sich zum Wohle einer ausgeglichenen Bevölkerungsstruktur intensiv um Familien zu kümmern - um die mit den Durchschnittsgehältern genauso wie mit den hohen Einkommen. Um die, wo beide Elternteile arbeiten müssen und um die, bei denen Vater und Mutter arbeiten wollen. Kitaplätze brauchen sie sofort - notfalls auch in Containern zum Beispiel auf dem Schulsportplatz. Das haben andere Gemeinden, die finanziell deutlich schlechter gestellt sind wie etwa Markt Schwaben, längst vorgemacht. Nicht zuletzt auch, weil sie wissen, dass der Reichtum eines Ortes nicht am Kontostand der Rücklagen zu messen ist.

© SZ vom 07.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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