Kommentar:Gefährliche Marginalisierung

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Beim Jahresempfang des DGB ging es auch um Bayerns ersten Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Er und die Gewerkschaften im Landkreis scheinen ganz offenbar Schicksalsgenossen zu sein.

Von Wieland Bögel

Es ist irgendwie passend, wenn der DGB-Kreisverband ausgerechnet an Kurt Eisners Todestag zum Jahresempfang einlädt. Zum einen natürlich, weil Eisner für viele Dinge stand, die auch Gewerkschaftern bis heute wichtig sind. Aber noch aus einem anderen Grund: Als Eisner am 21. Februar 1919 seinem Mörder begegnete, hätte der sich die Kugel eigentlich sparen können. Eisner war just an seinem Todestag auf dem Weg ins Parlament, um dort seinen Rücktritt als Ministerpräsident zu verkünden. Er und seine Revolutionäre waren bei der vorangegangenen Wahl marginalisiert worden. In diesem Punkt scheinen der späte Eisner und die Gewerkschaften im Landkreis ganz offenbar Schicksalsgenossen zu sein.

Zumindest konnte den Eindruck gewinnen, wer nun den Jahresempfang des DGB besuchte - es waren nämlich kaum Besucher da. Knapp 25 Leute - davon viele Funktionäre und Kommunalpolitiker - für einen Verband, der eigentlich das gewerkschaftliche Leben in einem Landkreis mit mehr als 140 000 Einwohnern repräsentiert. Einem Landkreis, in dem an Arbeit und an Arbeitsplätzen kein Mangel besteht - eigentlich doch ein Traum-Betätigungsfeld für jede Gewerkschaft. Schließlich, und das wurde auch an dem Abend deutlich, gäbe es für diese genügend Themen. Seien es die veränderten Arbeitsbedingungen, Stichwort Digitalisierung. Sei es die alte Forderung vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit, die auch und gerade in der immer flexibleren Arbeitswelt mit ihren immer flexibleren Arbeitszeiten wichtig ist. Auch vielen Leuten sind diese Themen wichtig, wie zahlreiche Umfragen immer wieder zeigen - weniger überzeugt scheinen sie allerdings davon zu sein, dass diese Themen bei den Gewerkschaften gut aufgehoben sind.

Das ist beileibe kein Landkreisproblem, auch das zeigen die Umfragen und Statistiken. Bei Veranstaltungen wie nun eben dem Jahresempfang des Landkreis-DGB wird das Problem aber deutlich, es geht den Gewerkschaften, wie es vielen Vereinen geht: Die immer weniger Engagierten, meist schon lange - teilweise zu lange - dabei, schaffen es nicht, in größerem Umfang zu mobilisieren, sich als Löser der Probleme zu präsentieren, welche die Leute umtreiben. Gerade in Zeiten, in denen von der Politik wenig bis gar keine Antworten auf die Herausforderung einer veränderten Arbeitswelt kommen, wäre dies aber nötiger denn je. Denn sonst übernehmen die Suche nach Antworten andere - und das ist die gruselige Verbindung zu Eisners Tod: Das Milieu, aus dem sein Mörder entstammte, ist derzeit so aktiv, wie in den vergangenen sieben Jahrzehnten nicht. Nicht nur, aber auch im Landkreis.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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