Kommentar:Fauna, Flora und Vorbilder

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In Vaterstetten hat man es sich bei der Straßenbenennung bisher recht leicht gemacht. Doch es gäbe gute Gründe, das zu ändern

Von Wieland Bögel

Braucht es mehr Widerstandskämpfer auf den Straßenschildern? Diese Frage wurde nun in Vaterstetten angestoßen, nicht zum ersten Mal. Eine Mehrheit im Gemeinderat hatte bisher stets verneint, das Argument war immer, man wolle einen Lokalbezug zur Gemeinde haben, und es gab damals in Vaterstetten halt keine Widerstandkämpfer. Was erstens nur teilweise richtig, zweitens ohnehin kein Argument und drittens vielleicht die Lösung für das Problem ist.

Zu erstens ist zu sagen, ja, es stimmt, die damals sehr kleinen Örtchen Parsdorf, Vaterstetten und Baldham haben tatsächlich keine Persönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer, die Geschwister Scholl oder Georg Elser hervorgebracht. Allerdings gilt dies - zweitens - auch für Bedřich Smetana, Richard Wagner, Giuseppe Verdi und zahlreiche andere große Musiker auf Vaterstettener Straßenschildern. Sie haben genauso wenig Lokalbezug wie etwa die Bergmassive, nach denen ebenfalls viele Vaterstettener Verkehrswege benannt sind. Den Anleihen aus Flora und Fauna kann man immerhin zugute halten, dass die meisten - beim Biber mag man im an Fließgewässern armen Vaterstetten eine Ausnahme machen - zumindest in der Gemeinde gelegentlich vorkommen. Allerdings halt auch überall sonst, wo ähnliche Klimabedingungen herrschen, also in großen Teilen Eurasiens und Nordamerikas - so viel zum Lokalbezug.

Drittens ist die Forderung nach selbigem aber grundsätzlich keine schlechte Idee bei der Namenssuche für Straßen, auch und gerade wenn sie mit dem Wunsch verbunden ist, die Opposition gegen die Nationalsozialisten damit zu würdigen. Denn mit den "großen Namen" ist es bei Widerstandskämpfern nicht anders als bei anderen verdienten Persönlichkeiten: Sie taugen zwar als Vorbilder - was immerhin schon mal besser ist, als die hundertste Anleihe aus dem Biobuch - haben aber mit dem Ort ihrer Ehrung wenig bis gar nichts zu tun. Aber was wäre, wenn bei kommenden Straßenbenennungen - die es beim Wachstum Vaterstettens wohl immer wieder geben wird - tatsächlich Menschen geehrt würden, die aus der Gemeinde oder wenigstens aus der Region kommen und Gegner oder Opfer des Naziregimes waren? Auch wenn sie nicht mit einer Bombe in der Aktentasche ins Führerhauptquartier spaziert sind. Dass es vielleicht nicht einfach wird, solche Personen zu finden, mag richtig sein - ebenso richtig ist aber auch, dass bislang niemand ernsthaft gesucht hat.

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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