Kommentar:Brücken statt Bauernopfer

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Dass die Katholische Jugendfürsorge und die Leiterin des Steinhöringer Betreuungszentrums wieder zusammenarbeiten wollen, ist eine gute Nachricht - doch es bleibt die Frage, warum es zu dem Zerwürfnis überhaupt kommen musste

Von Viktoria Spinrad

Als die Mitarbeiter des Einrichtungsverbund Steinhöring am 20. Mai eine interne Mitteilung erhielten mit der Information über die Kündigung ihrer beliebten Einrichtungsleiterin und dem Verweis auf "unüberbrückbare Differenzen", mutete das zunächst wie ein Scherz an. Unüberbrückbare Differenzen? In einer Hollywood-Ehe, bestimmt - aber in der katholischen Kirche? Entsprechend turbulent waren die darauffolgenden Wochen. Während Bewohner, Mitarbeiter und Politiker lautstark protestierten und den Dialog suchten, hüllte sich die Kirche in Schweigen - den Brückenbau übernahmen stattdessen die anderen.

Mit Erfolg: In einem mediativen Kunststück gelang es nun, die geschasste Einrichtungsleiterin und den Vorstand auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, eine Brücke über die vermeintlich unüberbrückbare Distanz zu schlagen. Möglich war das nur, weil die Steinhöringer Bewohner und Mitarbeiter eine beispielhafte Solidarität mit ihrer "Gerti" an den Tag gelegt haben. Weil Politiker aus dem Landkreis Ebersberg mit dem konstruktiven Vorschlag zur Mediation oben bei Kardinal Marx angeklopft haben. Weil Vereinsmitglieder sich nicht im Einzelfall verloren, sondern das komplexe Gesamtgefüge der KJF München vorgeknöpft haben. Und weil der Träger die Courage hatte, seine Entscheidung unter neuen Informationen zu revidieren.

Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch. Unbegründete Kündigungen, Abfindungen, fatalistische Scheinargumente - der Umgang des Vorstands mit seinen Mitarbeitern erinnert eher an ein Dax-Unternehmen als an eine katholische Einrichtung. Dabei sollten diese in Zeiten von Vertrauensverlust eine Bastion der christlichen Werte sein. Umso besser ist es, dass der Träger nun auf eine gesamtheitliche Reform abzielt. Wenn die Causa Hanslmeier-Prockl etwas lehrt, dann eines: Brücken einzureißen, Bauernopfer zu bringen in der Hoffnung, mit einem Mosaikstein das Gesamtgefüge zum Schnurren zu bringen, wird in einem so komplexen sozialen Gefüge eher Seelen verletzen als Sozialarbeit stärken.

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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