Kommentar:Bedürftige verlieren

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Das Geschäft mit Kleidung aus zweiter Hand boomt. Doch diejenigen, die damit Gutes bewirken wollen, müssen sich inzwischen oft mit minderwertigen Resten zufrieden geben

Von Johanna Feckl

Das Image von Second-Hand-Kleidung könnte besser kaum sein: Das Konzept ist nachhaltig, die Klamotten Geldbeutel-schonend und individuell. Trotzdem gibt es ein großes "aber", denn Second-Hand ist nicht gleich Second-Hand. Oder anders formuliert: Es mag zwar überall Second-Hand drauf stehen, aber es lohnt sich, zu prüfen, ob das tolle Image tatsächlich überall gleich greift. Spoiler: Tut es nicht.

Nehmen wir das An- und Verkaufsportal des Modehändlers "Zalando" als Beispiel: Gebrauchte Kleidung wird dort im Tausch gegen Warengutscheine angenommen, die bei der nächsten Zalando-Bestellung eingelöst werden können. Klingt schon ziemlich toll für den Kunden, aber ist er tatsächlich der ganz große Gewinner dieses Geschäftsmodells? Nein. Das ist Zalando selbst, also ein Unternehmen, das 2019 einen Gewinn von 99,7 Millionen Euro eingefahren hat. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Wachstum von beinahe 95 Prozent. Denn es kommt einem simplen werbepsychologischen Trick gleich, dass Kunden mit einem Gutschein mehr oder teurere Teile kaufen als ohne - nachhaltig ist das schon einmal nicht. Der Anstieg von Absätzen sowie Umsätzen bewahrt den Modehändler aber davor, auf alten Lagerbeständen sitzen zu bleiben und dadurch im schlimmsten Falle Verluste zu verzeichnen. Die Geschäftszahlen von Zalando für das vergangene Jahr liegen zwar noch nicht vollständig vor, aber aus Sicht der kaufmännische Theorie spricht nichts gegen diese These.

Und wer ist der große Verlierer dieses boomenden Geschäfts? Es ist der Second-Hand-Markt, der hinter Altkleider-Sammlungen steckt, bei denen es keine Gutscheine oder Geld im Tausch gegen die gebrauchte Ware gibt. Dabei ist deren Funktion für sehr viele Menschen unglaublich wichtig. Die "Aktion Hoffnung" beispielsweise, die im Kreis Ebersberg neun Container betreibt, verschickt einen Teil der gespendeten Kleidung als materielle Projektunterstützung an Partner, hauptsächlich nach Osteuropa. Der andere Teil wird verkauft und der Erlös kommt den Projektpartnern als monetäre Unterstützung zu Gute, etwa für das Projekt "Hilfe und Betreuung für Straßenkinder im Südsudan" - alles übrigens transparent nachzulesen auf der Webseite der Organisation. Anders ist das etwa bei Zalando, wo die gebrauchte Ware "über Online- und Offline-Kanäle in ganz Europa" weiter verkauft wird - wer genauere Infos möchte, wird enttäuscht.

Zugespitzt lässt sich also sagen: Je größer der Second-Hand-Markt à la Zalando und Co wird, desto prekärer wird die Situation für Menschen, die ohnehin schon bedürftig sind.

© SZ vom 26.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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