Kommentar:Asozialer Wohnungsbau

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Die vergünstigten Grundstücke im neuen Vaterstettener Baugebiet sind alles andere als sozial. Parzellen können sich lediglich Menschen leisten, die mehr als der Durchschnitt verdienen

Von Wieland Bögel

Das Leben ist eine Baustelle. Das ist nicht nur der Titel eines alten Films, sondern entspricht gerade bei jungen Familien ziemlich genau der Lebenswirklichkeit. Und gerne fügen sie der metaphorischen gleich noch eine reale Baustelle hinzu: Spätestens, wenn die Familie und deren Mitglieder nicht mehr ganz so klein sind, entscheiden sich viele, die Wohnung gegen ein Haus mit Garten zu tauschen. Da dieses gerade rund um München nicht eben billig ist, versuchen viele Gemeinden, ihre jungen Bürger mit sozialen Projekten etwas zu unterstützen. So auch Vaterstetten, wo man nun ein Einheimischenmodell auf den Weg brachte. Wer ein gewisses Einkommen nicht überschreitet und noch dazu gewisse Kriterien wie Ortsansässigkeit oder die Pflege von Angehörigen erfüllt, kann ein Häuschen oder ein Baugrundstück unter dem Marktwert bekommen. Ein soziales Projekt ist es dennoch nicht, was der Gemeinderat da beschlossen hat, es ist eher ein Indikator.

Denn es zeigt, wie sehr sich das Modell Einheimischenbauland in einer Gemeinde wie Vaterstetten überlebt hat. Das Problem des zu teuren und zu knappen Wohnraums wird man damit nicht lösen. Zum einen aus quantitativer Hinsicht: Vaterstetten ist eben kein Dörfchen mit ein paar 100 Bewohnern, wo eine Häuserzeile am Ortsrand für die Kinder der Einheimischen ganz nützlich sein kann. Bei mehr als 23 000 Einwohnern machen sich 43 Häuser dagegen in Bezug auf den Siedlungsdruck überhaupt nicht bemerkbar. Auch qualitativ ist diese Art des sozialen Ausgleichs ziemlich sinnlos: die Hälfte von sauteuer ist für die meisten immer noch unerschwinglich. Wie wenig sozial das Einheimischenbauland in Vaterstetten konkret ist, wird deutlich an den nun wieder einmal erhöhten Einkommensgrenzen der Begünstigten: 80 000 Euro pro Jahr pro Haushalt, das sind knapp 6700 Monatsbrutto. Wer jetzt denkt, das sei viel, ist in guter Gesellschaft, die Summe liegt nämlich gut 2500 Euro über dem Wert, den das Statistische Bundesamt als durchschnittliches Haushaltseinkommen ermittelt hat. Was im Klartext bedeutet: Das sogenannte Sozialprojekt kommt Menschen zugute, die nicht nur nicht bedürftig sind, sondern sogar weit über dem Durchschnitt verdienen. Dass es selbst für diese in Vaterstetten mittlerweile schwierig ist, ein Haus zu erwerben, ist einerseits zwar ein Alarmsignal, denn es zeigt eine äußerst ungute Entwicklung. Andererseits ist die nun vom Gemeinderat daraus abgeleitete Folgerung, Schnäppchen für Spitzenverdiener auszugeben, grundfalsch.

Denn wenn es eben schon diesen schwerfällt, sich das Wohnen in der Großgemeinde leisten zu können, um wie viel schwerer ist es dann für jene, die keine 80 000 Euro im Jahr zur Verfügung haben. Wenn die Gemeinde schon ihr Vermögen einsetzt, um Wohltaten zu vollbringen, sollte sie sich dabei auf die konzentrieren, die diese wirklich brauchen. So hätte man etwa die Einheimischen-Grundstücke am freien Markt verkaufen und dafür Sozialwohnungen bauen können. Oder diese dort von einer Genossenschaft beziehungsweise der neuen Wohnbaugesellschaft des Landkreises errichten lassen. So ist das einzige, was sich über das angebliche Sozialprojekt in Nordwest sagen lässt: Besser als nichts - aber nicht viel.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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