Körperkunst in Moosach:Allerhand Akt

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Nackt sind nur die Motive: Edeltraud Linxen, Karin Nahr und Achim Ehaus stellen im Alten Bahnhof in Moosach aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die drei Glonner Karin Nahr, Edeltraud Linxen und Achim Neuhaus stellen in Moosach aus. Unter dem Titel "Nackerte im Bahnhof" zeigen sie Grafiken, Keramiken und Skulpturen

Von Anja Blum, Moosach

Den Ort Bahnhof verbindet man ja normalerweise mit hektischer Betriebsamkeit, Menschenmassen, vielleicht noch mit Abschied, oder Fernweh. Insofern ist der Titel "Nackerte im Bahnhof" doch einigermaßen skurril-provokant. Was sich dahinter verbirgt, hat allerdings weder etwas Komisches noch Anrüchiges: Es handelt sich dabei schlicht um eine Ausstellung, die sich um stilvolle Akte dreht, und zufälligerweise im Alten Bahnhof Moosach Unterschlupf gefunden hat. Das historische Gebäude an der ehemaligen Bahnlinie nach Glonn wird vom örtlichen Kulturkreis für diverse Veranstaltungen genutzt - eine Praxis, die künftig intensiviert werden soll.

Diesmal bietet das Bahnhofshäuschen drei Künstlern eine charmant-historische Bühne: Karin Nahr, Edeltraud Linxen und Achim Neuhaus, allesamt aus Glonn, stellen hier gemeinsam aus - eine Premiere. Zu sehen gibt es, im übertragenen Sinne, viel Haut, und zwar in Form von Grafiken, Skulpturen und Keramik. Zu sehen sind die Nackerten im Bahnhof in der Moosacher Bahnhofstraße nur ein Wochenende lang, nämlich am Samstag, 22. September, von 14 bis 18 Uhr, und am Sonntag, 23., von 10 bis 18 Uhr.

Den Anstoß zu der Themenschau hatte Edeltraud Linxen gegeben, die ihre Vasen und andere Keramikgefäße seit vielen Jahren immer wieder mit Akten verziert. "Ich habe mal meinen Schwager, der Hobbykünstler ist, gebeten, mit möglichst wenigen Stichen eine pralle, runde Frau zu zeichnen, die ich auf meine Objekte übertragen kann", erzählt sie und lacht schelmisch. Seitdem ziert die Dame mit den vollen Brüsten und wild abstehenden Haaren zahlreiche ihrer Arbeiten. Mit Engobe, eingefärbtem Ton, setzt Linxen den Akt, der den Betrachter frech-fröhlich anblickt, von den stets in Erdtönen gehaltenen Gefäßen ab, Flüssigwachs lässt die Lasur von den klaren Konturen abperlen.

Bildhauer Achim Ehaus wiederum hatte sich bislang eigentlich nicht mit Akten beschäftigt - obwohl seine Keramikobjekte in Linxens Werkstatt entstehen, also im Umfeld vieler Nackerter. "Aber wenn solche gefragt sind, muss man halt liefern", sagt Ehaus, lacht, und erzählt, dass ihm das Thema dann doch sehr zugesagt habe. "Die Arbeit daran war sehr sinnlich, das hat mir gefallen." Allerdings drängte dann die Zeit schon ein wenig, so dass der Glonner Bildhauer anstelle seines angestammten Materials, dem Stein, zu Ton greifen musste.

Das Ergebnis sind mehrere dralle Damen, irgendwo zwischen der Anmut der Venus von Milo und jener aus Willendorf. Jedenfalls möchte man Ehaus Akte am liebsten mit der Hand berühren, so verlockend ist ihre Sinnlichkeit. Daneben hat der Glonner ein paar spannende Steinarbeiten gestellt: ein zweigeteilter, dunkelgrauer Stein zum Beispiel markiert den "Durchbruch" des Künstlers ins Abstrakte, ein wehrhafter, imposanter "Adler" begrüßt die Gäste vor der Tür.

Aufs Zweidimensionale beschränkt sich die Dritte im Bunde, die Malerin Karin Nahr. Sie zeigt allerhand Akte, lauter grafische Arbeiten - die jedoch auf ganz unterschiedliche Weise entstanden sind. Das technische Spektrum der Künstlerin nämlich ist breit, es reicht von Zeichnungen mit Kohle, Rötel, Kreide oder Tusche über Linolschnitte und Wachsgravuren bis hin zu Monotypien à la Paul Klee. Das Motiv ist also stets dasselbe - nackte Menschen in allen möglichen Posen - doch die Wirkung der Arbeiten variiert extrem.

Seit Jahren besucht Nahr das Aktzeichnen des Ebersberger Kunstvereins, so manches dort entstandene Blatt hat auch seinen Weg in die Ausstellung gefunden, eine schnelle Fünf-Minuten-Skizze zum Beispiel. "Manchmal wird das Spontane richtig gut, denn da verkrampft und verzettelt man sich nicht so", sagt die Künstlerin. Überhaupt ist sie immer auf der Suche nach Möglichkeiten, den Kopf auszuschalten und ihrem feinen Duktus dadurch Dynamik zu verleihen. "Einfach etwas abzuzeichnen ist ja uninteressant", sagt Nahr und lacht. Deshalb nimmt sie auch mal die vermeintlich schwache linke Hand, mal überlässt sie es dem Wasser, die Tusche in die richtige Bahnen zu lenken, mal wird das Ergebnis durch Wischen und Drucken von Farbe zum Glücksgriff. Und genau dadurch bestechen die Arbeiten von Nahr: Sie zeigen mehr, als das Auge sieht.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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