Klimaschutzpolitik in Grafing:Freiheit auf dem Dach

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Ob Solarzellen auf Privatdächern installiert werden, wie hier am Prinz-Eugen-Park in München, bleibt in Grafing Privatsache. Die Stadt macht aber durchaus Vorgaben in Sachen regenerativer Energiegewinnung. (Foto: Florian Peljak)

Das Bündnis für Grafing beantragt verpflichtende Photovoltaikanlagen bei Neubauvorhaben. Der Bauausschuss lehnt den Verschlag einstimmig ab

Von Thorsten Rienth, Grafing

Radikaler Klimaschutz braucht radikale Ideen. In etwa so lautete der Gedanke hinter dem Vorstoß der Wählergruppe Bündnis für Grafing (BfG), Baugenehmigungen für Grafinger Neubauprojekte künftig nur noch auszustellen, wenn auf den Dächern Fotovoltaikanlagen vorgesehen sind. In seiner Sitzung am Dienstagabend konnte der Bauausschuss mit der Solarpflicht wenig anfangen - und hat sie ohne Gegenstimmen abgelehnt.

"Die Industrieländer mit ihrem extrem hohen Energieverbrauch müssen noch stärker dazu beitragen, ihren Energieverbrauch durch erneuerbare Energien zu decken", hatte das BfG in seinem Antragsschreiben formuliert. Ein probates Mittel sei die Fotovoltaikpflicht für alle Neubauten. Die Stadt möge dem Beispiel Tübingens folgen, wo eine solche Pflicht seit vergangenem Jahr gelte.

Das BfG erklärte, es sehe auch die Stadt Grafing in der Pflicht. "Die noch verfügbaren Potenziale, in Grafing Strom aus anderen erneuerbaren Energien zu gewinnen, sind stark begrenzt." Die Wirtschaftlichkeit von Fotovoltaikanlagen sei unbestritten. Also müsse Grafing die Anlagen vorschreiben - über entsprechende Verpflichtungen in neu aufgestellten Bebauungsplänen, bei Grundstückskaufverträgen sowie städtebaulichen Verträgen.

In der Sitzung gab es allerdings parteiübergreifendes Kontra. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Max Graf von Rechberg bezeichnete den BfG-Vorschlag als "Unfug". "Wir können den Leuten doch nicht ernsthaft vorschreiben wollen, zum Beispiel anstatt Solarwärme oder Hackschnitzeln eine Fotovoltaikanlage auf ihre Dächer zu bauen."

Auch Ernst Böhm (SPD) zweifelte am Nutzen einer solchen Vorschrift. "Nur noch Fotovoltaikanlagen auf die Grafinger Dächer zu bauen, das ist doch wirtschaftlich wie ökologischer Schmarrn!" Die Kritik blieb ohne Gegenrede, da keiner der BfG-Vertreter bei der Sitzung anwesend war.

Geht es nach Bauamtsleiter Josef Niedermaier, ist der Antrag sowieso kaum diskutabel. Das Zustandekommen von Baugenehmigungen sei immer eine Abwägungssache zwischen privaten und öffentlichen Belangen. "Da können wir nicht einfach PV-Anlagen generell festlegen, das hätte rechtlich keinen Bestand." Auch bei der praktischen Umsetzung sieht der Bauamtsleiter Probleme. "Was ist, wenn bei jemandem das Dach so verschattet ist, dass die Anlagen keinen Sinn machen?"

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) wies darauf hin, dass die Stadt bei städtebaulichen Verträgen ohnehin strenge Vorhaben in Sachen regenerativer Energiegewinnung mache. Beim neuen Gewerbegebiet hätte die Stadt deutlich über die Mindestanforderungen hinausgehende vorhaben gemacht. Ähnlich werde man es wohl beim Ausbau des Grafinger Senioren-Hauses handhaben. "Darüber herrscht ja hier eine breite Einigkeit."

Und obendrein sei das Interesse der Grafinger an nachhaltig erzeugtem Strom ziemlich groß. "Beim Infoabend zur Fotovoltaik-Bündelaktion kamen vor ein paar Tagen so viele Leute, dass wir welche wegschicken mussten, weil keine mehr in den Saal gepasst haben", berichtete die Bürgermeisterin. Mit der Aktion hatten Energieagentur Ebersberg-München und die Stadt Grafing Hausbesitzern eine neue Form der Unterstützung angeboten: Wer will, kann seine Anlage aus einer Hand planen und koordinieren lassen.

Den BfG-Antrag lehnte der Bauausschuss schließlich einstimmig ab.

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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