Klassik:Überraschende Sphären

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Die Saxofonisten Hermann Rid und Steffen Schmid zeigen mit Organist Matthias Gerstner bei einem wunderbaren Konzert, wie viel "more" Bach kann. (Foto: Endt)

Bei einem feinen Konzert mit Saxofonen und Orgel bleiben Bach und Zeitgenossen nicht allein

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Das erlebt man eher selten nach einem klassischen Konzert: Die Besucher machen sich auf den Heimweg - und einer von ihnen pfeift munter und vernehmlich das Motto der Zugabe vor sich hin. Einem wie Wolfgang Amadeus Mozart hätte das sicher gut gefallen, doch der kam gar nicht vor beim samstäglichen "Bach & More" in der Christuskirche von Baldham. Aber Antonio Vivaldi, dem da die Ehre eines Gassenhauers zuteil wurde, hätte sich über das Echo seiner Triosonate sicher genauso gefreut. Zumal es von einem Instrument ausgelöst wurde, über das er und seine Zeitgenossen noch gar nicht verfügten: dem Saxofon.

Wie passt das zur Barockmusik? Matthias Gerstner, dem die Fundstücke und Ideen für seine Bach-Reihe nicht auszugehen scheinen, hat sich mal wieder als treffsicherer Kompositeur eines Konzertprogramms erwiesen, das dem Publikum Ohren und Herz öffnet. Schon deshalb möchte man zornig sein über die mit gerade mal 60 Zuhörern bescheidene Resonanz; doch räumt die Schadenfreude diesen Zorn schnell aus dem Weg, weil man den Abwesenden guten Gewissens zurufen kann: Welches Juwel habt ihr Euch da entgehen lassen! Man mag an vielem zweifeln, aber nicht an den Qualitäten von "Bach & more".

Mit Hermann Rid und Steffen Schmid standen zwei Saxofonisten am Altar der kleinen Kirche, denen es scheinbar mühelos gelang, einen Klangraum von beachtlicher Größe aufzubauen, der sich wie ein Globus um Gerstners Orgel rundete, strahlend sich aufschwingend, von bezwingender Kraft und spiegelnder Eleganz. Da muss man normalerweise weitere Wege in Kauf nehmen als nach Baldham und größere Häuser aufsuchen, um derlei zu hören.

Wie ein großes Menü aus feiner Küche den Gaumen kitzelt, so schuf auch die Abfolge der Stücke dieses Konzerts vielfältige Reize fürs Ohr. Waren das F-Dur-Trio des Johann Sebastian Bach (BWV 1040), die Trionsonate Vivaldis und das Allegro in Es-Dur des Georg Friedrich Händel zu Beginn noch der Kategorie "erwartbar" zuzuordnen, so bewegten sich die folgenden Werke in überraschenden Sphären. Bei Paul Hindemiths Konzertstück für zwei Altsaxofone brillierten Rid und Schmid im facettenreichen Dialog ihrer Instrumente auf höchstem Niveau. Den beiden Solisten sei ausdrücklich Lob dafür gezollt, dass sie eine treffliche Balance fanden zwischen der Lust an den Möglichkeiten ihrer Instrumente und dem Respekt vor dem Ton der Komposition. So fein abgestimmt hört man das selten.

Auch Gerstner gönnte sich und der Orgel ein nicht alltägliches Solo, indem er drei kleine Stücke von Johannes Matthias Michel interpretierte - und damit gleichzeitig einen der von ihm so geschätzten, kontrastierenden Ausflüge in die Jetzt-Zeit unternahm, die dem "More" der Konzertreihe ihre Würze verleihen. Mit "Intrade in Jazz", "Cantilène Nuptiale" und einem Choralvorspiel über "Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren" führte er entspannt und heiter vor, über welche Vielfalt und welchen Charme moderne Orgelmusik verfügt und wie gekonnt er beides seinem Hausinstrument zu entlocken versteht.

Bevor eine Triosonate in F-Dur des Georg Philipp Telemann den Abend beschloss, zelebrierten Organist und Saxofonisten den Glanzpunkt : die Romance, op. 43b aus dem Werk von Adolphe Blanc, einem französischen Violinisten und Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ein Stück, so melodiös und emotionsgeladen, dass man leicht dafür in Schwärmen geraten mag. Was begeisterte, war die Intensität, mit der die Saxofonisten ihre Transkription interpretierten. Als sei dieses, wie schon die Stücke zuvor, allein auf ihre Instrumente hin komponiert. Dafür kenntnisreicher, herzlicher Applaus.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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