Kirchweih:Nationalfeiertag in Lauterbach

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Ein Dorf stemmt sich gegen das kirchliche Establishment: Lauterbach feiert seit jeher sein eigenes Kirchweihfest - und der ganze Ort nimmt sich dafür frei.

Carolin Fries

Dora Heilmann nennt es einen "Nationalfeiertag", wenn sie von dem heutigen Tag in Lauterbach spricht. Und die Mesnerin des kleinen Dorfes in der Gemeinde Frauenneuharting ist stolz, dass das so ist. Denn an "Peter und Paul", wie der 29. Juni hier einfach nur genannt wird, feiern die Lauterbacher seit jeher ihr eigenes Kirchweihfest.

Kirche "Peter und Paul" in Lauterbach: Ein Ort feiert sein eigenes Kirchweihfest - und alle nehmen sich dafür frei. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nur an diesem Tag wird in der kleinen Kirche, welche das Patrozinium der Heiligen Peter und Paul trägt, Gottesdienst gehalten. Für die Dorfgemeinschaft ein ehrenvoller Anlass, gemeinsam zu feiern. "Eigentlich hat es der Kirche ja nicht geschmeckt, dass jedes Dorf sein eigenes Kirchweihfest abhält, weshalb ein allgemeingültiger Kirchweihtag eingeführt wurde. Doch irgendwann kam die alte Tradition wieder auf", erklärt Josef Wimmer aus Lauterbach.

Seit rund 1000 Jahren steht die Kirche bereits an ihrem Platz am östlichen Dorfrand, einst wurde hier regelmäßig Gottesdienst gefeiert. Doch seit rund 40 Jahren, so schätzt die Mesnerin, ist dies nur noch an einem Tag im Jahr der Fall: Stets am 29. Juni, dem Todestag der Apostel und Kirchenväter Simon Petrus und Paulus von Tarsus.

Fällt der Tag auf einen Werktag, nehmen sich die meisten Lauterbacher frei - Ehrensache. "Das schätze ich hoch ein", sagt Josef Wimmer. "Dadurch ist das Fest erst zu dem geworden, was es ist", findet auch Sabine Mayr. Auf ihrem Hof, der direkt neben der Kirche liegt, wird im Anschluss an den Gottesdienst gefeiert. 200 Weißwürste und 150 Wiener hat die Landwirtin bereits bestellt.

Darüber hinaus kümmert sie sich darum, dass Tische, Bänke, Besteck und Geschirr da sind. "Nach dem Gottesdienst helfen dann alle zusammen", sagt sie. Dass in ihrer Kirche dann bisweilen zehn Frauen abspülen, Kaffee kochen oder Senf auf kleinen Tellern verteilen, stört sie nicht. "Unkompliziert" nennt sie die Abläufe, die allen längst vertraut sind. "Jeder hat seinen Part, um den er sich kümmert, ohne dass man das organisieren muss."

"Jeder kennt jeden"

Während sie am Abend vor dem Fest Besteck in Servietten wickelt, radelt Dora Heilmann bereits Tage vorher zur Kirche, kehrt die Spinnweben aus den Gewölben, wäscht und bügelt die Altartücher und bringt die Heiligenfiguren auf Hochglanz: links vor dem Altar Petrus, rechts Nikolaus. Wieso dort kein Paulus zu finden ist, weiß niemand. Behutsam wischt Heilmann Staub, kehrt Bänke und Boden. Zuletzt schmückt sie den Altar mit Blumen, die sie überwiegend aus dem eigenen Garten holt. Die größeren Enkelkinder helfen und finden es sichtlich spannend, die Kirche auf Hochglanz zu bringen und einen Blick in die kleine Sakristei zu werfen.

Vor zwei Jahren erst haben die Dorfbewohner "ihre" Kirche renoviert. "Wir haben ein paar Spenden gesammelt und viel in Eigenleistung erbracht", erzählt Wimmer. In wochenlanger Arbeit wurde das spröde Mauerwerk ausgebessert und die Fassade neu gestrichen. Und auch damals haben alle mitgeholfen. "Es gibt halt noch eine echte Dorfgemeinschaft", sagt Sabine Mayr. "Jeder kennt jeden."

Doch obwohl man sich vertraut ist im Dorf, sei es wichtig, "zusammenzusitzen", wie Josef Wimmer meint. Und nichts anderes passiert nach dem Gottesdienst: Die Leute essen, trinken und lachen gemeinsam. "Es war der ehemalige Bürgermeister aus Lauterbach, der eingeführt hat, dass das Bier nichts mehr kosten soll", erzählt Wimmer. Seither wechseln sich die Hofeigentümer im Dorf mit der Übernahme der Getränkekosten ab. Das sei stets problemlos gewesen. "Schwierigkeiten hat gerade der, der zahlen muss", sagt Wimmer und lacht.

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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