Kirchseeon:Warnzeichen verschlafen

Lesezeit: 2 min

Für ein offenes Gespräch: Beim EU-Projekttag beantwortet SPD-Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer kritische Fragen der Kirchseeoner Gymnasiasten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ewald Schurer diskutiert mit Kirchseeoner Gymnasiasten

Von Sebastian Hartinger, Kirchseeon

Flüchtlingskrise, der Aufstieg der AfD oder die schwierige Lage der Europäischen Union: Einige heikle Themen haben die Schüler der zehnten Klasse am Gymnasium Kirchseeon für den SPD-Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer am Montag im Gepäck gehabt. Beim EU-Projekttag der Schule stellte sich Schurer, der Mitglied im Haushaltsausschuss ist, den zahlreichen Fragen der Schüler. "Dieses Jahr war es zum ersten Mal ein SPD-Politiker", berichtete der Sozialkundelehrer Matthias Tischler. "Die vier Jahre zuvor war immer einer von der CSU da."

Sehr offen und deutlich beantwortete Schurer die kritischen Fragen der Klasse 10 a. Europa habe schon lange von den Flüchtlingsprognosen gewusst, warf beispielsweise eine Schülerin der Politik vor. Hätte die Situation nicht abgefedert werden können, wenn man früher reagiert hätte? "Man hat die Warnzeichen verschlafen und diskutiert, aber nicht reagiert", stimmte Schurer der Schülerin zu. Er wies aber auch darauf hin, dass die deutsche Öffentlichkeit für dieses Thema wenig sensibilisiert gewesen sei. "Alle Ebenen haben hier eine Mitverantwortung." Das Argument, Politik zu machen sei zurzeit zu schwer, weil die Länder zerstritten seien, "halte ich für eine billige Ausrede", machte Schurer deutlich. Außerdem stellte er aber auch klar, dass die Politik nicht jedes Problem ohne weiteres lösen könne, da verschiedene Meinungen existierten.

In der Flüchtlingskrise vertrat Schurer gegenüber den Schülern eine klare Meinung: "Wir können nicht alle aufnehmen, aber wir müssen den Menschen, die sich auf der Flucht befinden, helfen." Aus diesem Grund spreche er sich für einen Verteilungsschlüssel in der EU aus. Über das Verhalten von einigen EU-Staaten wie Polen oder Tschechien zeigte er sich verärgert. Die Polen hätten viel Geld von der EU bekommen, und jetzt wollten sie niemanden aufnehmen. "Es bleibt nichts anderes übrig, als den Dialog offen zu halten." Zu Gute hielt er den Staaten jedoch, dass sie im Ukraine-Konflikt Vertriebene aufgenommen haben.

Auch über rechtliche Hintergründe klärte der SPD-Politiker die Schüler auf. "Wenn ein Flüchtling anerkannt wird, hat er automatisch Anspruch auf Arbeit, Schule und Studium", erklärte er beispielsweise auf Nachfrage. Gleichzeitig machte er seine Besorgnis zu einigen Themen deutlich. Auf die Frage eines Schülers, was die Parteien gegen den Rechtsruck in der Politik unternehmen sollten, sagte er kämpferisch: "Wir müssen den Arsch in der Hose haben und gegen Neonazis aufstehen." Mit großer Sorge beobachte er den stetigen Zuwachs von rechten und EU-kritischen Parteien, gab Schurer zu. "Ich bekomme E-Mails, die im Geiste von 1945 sind." An die Schüler appellierte er deshalb, dass sie "auch mal den Mund aufmachen sollen", wenn ihnen rechte Thesen begegnen.

Sollte die AfD in den Bundestag kommen, wird es laut ihm zu härteren Diskussionen kommen. Der Aussage eines Schülers, "wenn man das AfD-Programm liest, dürfte man sie doch gar nicht mehr wählen wollen", pflichtete der Politiker bei. Trotzdem gehe er davon aus, dass die Partei bei den nächsten Wahlen die Fünfprozenthürde schaffen wird. Er selbst könne die EU-Kritik nicht nachvollziehen. "Die EU war immer ein Fortschritt. Es gibt kein Land, das in ihr wirtschaftlich so hervorging, wie Deutschland", betonte er. "Allein in Oberbayern hängen 30 Prozent der Arbeitsplätze, unter anderem im Maschinen- und Autobau, von der EU ab. Ein offenes Europa ist die einzige Zukunft, die wir haben", appellierte er.

Ein Anliegen Schurers war es, auch die positiven Seiten der Politik zu zeigen: "Mit Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel haben wir das weltweit beste Krisenmanagement", so seine Meinung. Dies sei unter anderem im Iran-Irak- Konflikt zu beobachten gewesen. Außerdem habe man die modernste Energiepolitik. Auf diesem Gebiet müssten wir "ohne Arroganz ein Vorbild sein".

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: