Kirchseeon:Vier Sprachen in einem Haus

Lesezeit: 2 min

Aleksandra Smirnowa, 38, organisiert Frauentreffen (Foto: Privat)

Aleksandra Smirnowas lebt in einer internationalen Familie

Vom Ortsteil Eglharting hatte Aleksandra Smirnowa bis vor zwei Jahren noch nie etwas gehört. Aber sie suchte mit ihrem Mann und den drei Söhnen eine dauerhafte Bleibe nah an München. Der Ort passte: Kindergarten, Schule vorhanden, die Landeshauptstadt gut erreichbar und die Mieten noch nicht so extrem. Betritt man nun ihr Reihenhaus mit Garten, betritt man auch eine Welt des Sprachwirrwarrs.

Mit ihrem Mann, einem Tonmeister aus den Niederlanden, spricht die 38-Jährige Englisch. Mit den Söhnen in ihrer Muttersprache Russisch. Ihr Mann pflegt Niederländisch mit den Kindern, beide Elternteile wollen ihre Sprache an die Kinder weitergeben, getreu dem "One-Parent-One-Language-Modell". "Am Anfang haben wir uns große Sorgen gemacht, ob die Kinder gut Deutsch lernen", sagt sie, aber es gehe gut und in der Schule gebe es keine Auffälligkeiten.

Meist ist es so: Die Söhne verstehen, was die Mutter sagt, antworten auch auf Russisch. Aber es kostet sie manchmal Überwindung, einfach drauf los zu reden. Um die Kinder dauerhaft an die Sprache zu gewöhnen, fliegt die Familie auch regelmäßig zu den Großeltern nach Moskau. "Aber natürlich entwickelt sich der Wortschatz ganz anders, wenn man ihn in der Schule lernt", sagt Smirnowa, Fachbegriffe aus der Physik, dem Deutsch- oder Musikunterricht könne sie ihren Kindern nicht so umfassend beibringen. "Da haben wir im Grunde den Wettlauf schon verloren." Doch das Brauchtum hält die Familie hoch. Dazu gehört auch: das russische Neujahrsfest Nowij God zu feiern und den niederländischen Nikolaus - genauso wie den deutschen Heiligabend. Außerdem sitzen sie am 8. Mai, dem Tag des Sieges der Alliierten über Nazideutschland, vor dem Laptop und sehen die Übertragung der Militärparade auf dem Roten Platz.

Lange hatte Smirnowa den Kontakt zu anderen Russen eingeschränkt. Sie wollte vor allem deutsche Freunde haben, um sich zu integrieren. Aber mittlerweile hat sich das geändert: Weil ihr ihre Kultur und Sprache wichtig sind, hat sie mit einer ukrainischen Freundin vor einem Jahr den ersten russischen Frauenklub im Landkreis gegründet. "Farfalia - société des femmes" haben sie ihn genannt. "Wir Frauen haben ja eigentlich alle Rechte, aber was bringt uns das? Wir bekommen immer noch nicht die Anerkennung, die wir verdienen." Ihr Klub soll Frauen informieren und stärken; einmal war das Thema: "Die eigene Stimme nutzen", dafür luden sie eine Profisängerin ein. "Sie hat uns Tipps gegeben, wie man in der Familie oder im Business gehört wird." Davor sprach ein Referent zu "Time Management". Das Ganze soll Frauen auch mal aus der Familie rausholen. Und weil das Interesse so groß ist und immer um die 15 Frauen kommen, überlegen sie jetzt, noch eine Gruppe zu gründen - die soll dann auf Deutsch stattfinden.

© SZ vom 20.07.2019 / clli - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: