Kirchseeon:Letzte Ruhe ohne Sarg

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Kirchseeon will die neue Bestattungsform auf den Friedhöfen der Gemeinde ermöglichen. Die Marktgemeinde ist damit erst die zweite Kommune im Landkreis

Von Wieland Bögel, Kirchseeon

Sarg oder Urne, diese beiden Möglichkeiten gibt es bisher für Bestattungen auf den Friedhöfen in der Marktgemeinde. Künftig sollen Verstorbene aber auch anders begraben werden können. Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat nun in seiner jüngsten Sitzung einem Antrag der SPD zugestimmt, zu prüfen, wie sarglose Bestattungen auch in Kirchseeon möglich werden können.

Dass dies grundsätzlich möglich wird, hat mit einer Gesetzesänderung aus dem Frühjahr zu tun. Zum April wurde die generelle Sargpflicht auf Bayerns Friedhöfen aufgehoben. Der Freistaat war damit eines der letzten Bundesländer, welche die Regelung gestrichen haben, diese besteht inzwischen nur noch in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Für bayerische Friedhöfe bedeutet dies aber nicht, dass dort seitdem sarglose Bestattungen möglich sind.

Denn meist ist auch in den jeweiligen Satzungen die Art und Weise der Bestattung festgelegt, was sich schon an den Festlegungen für Gräber zeigt: eben entweder für Urnen oder für Särge. Zum anderen gibt es hierzulande wenig Erfahrungswerte, wie Beerdigungen etwa in einem Leichentuch ganz praktisch funktionieren. Die Stadt München hat dazu bereits im April sogar einen größeren Versuch gestartet. Untersucht wurde etwa wie der Transport der Verstorbenen zum Grab und das Hinablassen in die Grube funktioniert, auch welche Materialien verwendet werden können, ist Teil der Studie.

Auch im Antrag der SPD in Kirchseeon geht es um diese und ähnliche Fragen. So soll etwa geklärt werden, wie ein Verstorbener ohne Sarg in das Grab gesenkt werden kann, auch wie der Leichnam zuvor gelagert werden kann. Da vor allem Menschen muslimischen Glaubens sarglose Bestattungen praktizieren, soll auch geprüft werden, wie sich die religiösen Vorgaben auf den Gemeindefriedhöfen erfüllen lassen. Etwa die rituelle Waschung, die Ausrichtung des Grabes nach Mekka oder eine längere bis unbegrenzte Ruhezeit.

Letztere könnte auch aus praktischen Gründen angezeigt sein, so der Antrag, falls sich zeige, dass ein Leichnam ohne Sarg langsamer verwese. Ohnehin müsse geklärt werden, ob der Boden grundsätzlich für sarglose Bestattungen geeignet sei, eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes soll ebenfalls eingeholt werden.

Ebenso wie ein Stimmungsbild der potenziellen Nutzer der geplanten Änderung: Geklärt werden solle, etwa im Gespräch mit der muslimischen Gemeinde, ob es derzeit Bedarf gibt, sarglose Bestattungen in Kirchseeon einzuführen. Daran anschließend wollen die Genossen geklärt haben, welche Bestatter überhaupt in der Lage seien, solche Beerdigungen vorzunehmen, beziehungsweise was die Anforderungen an sie seien. Derzeit gebe es wohl noch keine Nachfragen nach sarglosen Bestattungen in Kirchseeon, wie Antragsteller Domenico Ciccia (SPD) auf Frage von Klaus Seidinger (UWG) sagte, was wohl auch daran liege, dass das Thema noch neu sei. Eine muslimische Grabstätte gebe es in Kirchseeon ja bereits, sagte Bürgermeister Jan Paeplow (CSU), allerdings sei dort eben bislang mit Sarg bestattet worden.

Ciccia stellte noch einen ergänzenden Antrag, die Prüfung solle binnen sechs Monaten erfolgen. "Die technischen Fragen sind einfach zu beantworten" so der Gemeinderat. Bei einigen könnte man sicher Erfahrungen bei anderen Kommunen abfragen, die das bereits untersucht hätten. Er habe sich "noch nicht so in die Materie vertieft", so der Bürgermeister, dass man die Fragen binnen eines halben Jahres klären könne, halte er aber für realistisch. Paeplow bezweifelte indes, dass man dies in den Antrag schreiben solle, "da sehe ich den Mehrwert nicht, ich würde die sechs Monate als Verwaltung zusichern". Es gehe "um Verbindlichkeit" begründete Ciccia seinen Ergänzungsantrag. Dieser wurde schließlich bei sieben Gegenstimmen angenommen.

Der eigentliche Antrag erhielt nur eine Gegenstimme, jene von UWG-Fraktionschef Christian Eringer. Damit ist Kirchseeon erst die zweite Kommune im Landkreis, welche die Möglichkeit sargloser Bestattungen prüfen will. Bereits im Mai hatte der zuständige Ausschuss des Ebersberger Stadtrates einen von der dortigen SPD eingebrachten Antrag gebilligt, auch dort wird derzeit untersucht, wie Tote ohne Sarg beerdigt werden können.

© SZ vom 06.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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