Kirchseeon:Geschätzt wie gefürchtet

Lesezeit: 2 min

Ein Herz und eine Seele für diesen Moment: Harry Blöchl (SPD; links), erfährt gerührt, dass Udo Ockel (CSU) ihn zum Ehrenbürger ernennen will. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kirchseeons SPD feiert Harry Blöchl für 50 Jahre Engagement im Gemeinderat. Nun soll er Ehrenbürger werden

Von Christina Seipel, Kirchseeon

"Harry Blöchl ist ein Faktotum", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer über den Kommunalpolitiker aus Kirchseeon. Und darin stimmen die allermeisten, die ihn kennen, wohl überein. Seine Aufgaben in der Kirchseeoner SPD und im Kreistag waren vielfältig, sein politisches Engagement stets von Ausdauer und Überzeugung geprägt. Seit einem halben Jahrhundert ist der 76-Jährige nun im Gemeinderat aktiv. Für seine Verdienste wurde er am Freitagabend im Rahmen einer Jubiläumsfeier von der Kirchseeoner SPD geehrt.

Rund 90 Gäste unterschiedlicher politischer Couleur waren in das evangelische Gemeindehaus gekommen, um dem Kirchseeoner Politiker ihre Ehre zu erweisen. Darunter auch eine Abordnung der Kirchseeoner Perchten, die der 76-Jährige in seiner kommunalpolitischen Tätigkeit stets unterstützte. Harry, eigentlich Heribert, Blöchl erhielt viele respektvolle Schulterklopfer an diesem Abend und schüttelte zahlreiche Hände. Gelobt wurde vor allem seine Ausdauer auf dem politischen Parkett. Es gebe nur wenige, die so vom politischen Leben durchdrungen seien, sagte Kirchseeons Altbürgermeisterin Uschi Bittner (SPD) in ihrer Ansprache und würdigte Blöchl für seine "unglaubliche Disziplin". Nur wenige seien bereit, um fünf Uhr früh in die Arbeit zu fahren und dennoch bis zum Abend für andere da zu sein. Der SPD-Kreisvorsitzende Thomas Vogt bezeichnete ihn daher als "Idealist und Überzeugungstäter".

Harry Blöchl, der an einem Tisch mit seiner Familie saß, hörte den wohlwollenden Grußworten äußerlich ruhig, aber nicht ohne Stolz zu. Dass er von seiner politischen Färbung überzeugt ist, zeigte er mit knallroter Krawatte und Einstecktuch. Auch der Hund der Familie, ein wuscheliger kleiner weißer Havaneser, der mal brav vor seinen Füßen saß, mal mit fordernden Fiepen auf sich aufmerksam machte, trug eine große rote Fliege um den Hals. Doch so harmonisch wie die Veranstaltung verlief und so gelassen wie Harry Blöchl an diesem Abend wirkte, hatte es sich in den vergangenen 50 Jahren seiner kommunalpolitischen Arbeit nicht immer zugetragen. Denn, und auch in diesem Punkt herrschte Einigkeit unter den Gästen: "Einfach ist Harry nicht."

Stur sei er, beschreibt ihn seine politische Weggefährtin Uschi Bittner und erntet zustimmendes Lachen aus dem Publikum. Ihm laut zu widersprechen konnte gefährlich sein, erinnert auch Ewald Schurer mit Augenzwinkern. In seiner Rede schreibt er ihm sogleich eine weitere Funktion zu, die nämlich des "Zuchtmeisters", der dem, der ihm dumm gekommen sei, auch Einhalt gebieten konnte. Parteikollegen schätzten und fürchteten ihn für seine "brummige Herzlichkeit" und dafür, "dass er es nie nötig hatte, zu Kreuze zu kriechen", erzählt Uschi Bittner. Letztendlich sei man sich, trotz des unterschiedlichen Temperaments, im politischen Denken jedoch immer sehr nah gewesen.

Als politische Instanz ist Harry Blöchl nach wie vor gefragt. Denn politische Antworten habe er schon immer gut geben können, wie Ewald Schurer lobte. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kroll schätzt Blöchl als "kommunalpolitischen Berater, doch auch einen meiner größten Kritiker". Als der 76-Jährige dies hört, widerspricht er mit heftigem Kopfschütteln. "Das ist Zuneigung", erwidert er in seiner gewohnt knurrigen Art und mit einem Lächeln.

Eine Überraschung hatte Kirchseeons Bürgermeister Udo Ockel (CSU) dabei, der als letzter Redner ans Pult trat, dabei. Eine Laudatio habe er zwar nicht, diese wolle er sich für einen anderen Anlass aufheben. Doch der stehe schon bald bevor: Harry Blöchl soll Ehrenbürger werden, wie Ockel verrät. Ungläubig und sichtlich bewegt schüttelte der 76-Jährige den Kopf. In der kommenden Gemeinderatssitzung soll darüber entschieden werden. Auch das "Kirchseeoner Faktotum" wird wieder teilnehmen und hat, wie so oft, eine pragmatische Lösung parat: "Bei der Abstimmung gehe ich raus."

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: