Kirchseeon:Der jähe Tod der Eiche

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Ein geschützter Baum in Eglharting wird so zugeschnitten, dass er jetzt wohl eingeht. Das Landratsamt prüft ein Verfahren

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Eigentlich hätte die große Eiche in Eglharting noch lange stehen sollen. Der Gemeinderat hatte ausdrücklich den Erhalt des Baumes gefordert und sogar vor Gericht wurde über den Baum bereits verhandelt. Mehr als 100 Jahre alt ist die Eiche an der Hauptstraße 39, dementsprechend groß und mit einer voluminösen Krone. Doch diese ist jetzt Geschichte. Dem Baum wurde die gesamte Krone weggeschnitten, übrig ist wenig mehr als der Stamm. Das Ergebnis des Zuschnitts schlägt nun hohe Wellen. Laut Unterer Naturschutzbehörde im Landratsamt Ebersberg seien die Folgen der Abholzung fatal. Der Baum sei durch den Zuschnitt derart beschädigt, dass er sich nicht mehr erholen werde. Deshalb will das Landratsamt ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Grundstückseigentümer einleiten, auf dessen Besitz die Eiche noch steht. Auch die Marktgemeinde Kirchseeon ist über die Zerstörung der Eiche sauer. Andrea Horny von der Verwaltung sagt: "Die Eiche wurde ausdrücklich geschützt".

Der Gemeinderat untersagte 2014 die Fällung der Eiche

Die Geschichte beginnt vor einigen Jahren: An der Hauptstraße 39 wurde 2013 ein Wohn- und Geschäftshaus mit Tiefgarage geplant, sodass zukünftig wenig Platz für die dortigen Bäume, eine Esche, eine Buche und eine Eiche, war. Eine Nachbarin schimpfte schon länger über den Schatten der großen Bäume und zog vor Gericht. In einem Zivilverfahren entschied das Amtsgericht Ebersberg, dass Äste, die über die Grundstücksgrenze in den Nachbargarten ragten - das war ein sehr großer Teil - direkt am Stamm abgeschnitten werden könnten. Doch zwei der Bäume standen bis dato unter Schutz, die Buche und die Eiche, und galten als "erhaltenswerte und ortsbildprägende Bäume". Der gerichtlich genehmigte Zuschnitt wurde dennoch vorgenommen, mit unerwarteten Folgen: Die Untere Naturschutzbehörde bewertete den massiven Rückschnitt so, dass die Bäume nachhaltig geschädigt und darum "nicht mehr erhaltenswert" seien. Dann mischte sich der Marktgemeinderat ein. Dieser entschied 2014, dass die Esche und die bis dahin geschützte Buche gefällt werden dürften. Einzige Bedingung dafür: Die Eiche müsse erhalten und geschützt bleiben. Für die Nachbarn war es damals ein annehmbarer Konsens.

Doch gut zwei Jahre nach dem Disput wurde die noch übrig gebliebene Eiche, die am Grundstück nahe des Neubaus an der Hauptstraße steht, bis auf den Stamm beschnitten. Fazit von Fachleuten: Der Baum sei kaputt. "Dieser Baum wurde in vielen Gesprächen und in einem Vororttermin mit dem Bauherren nicht zur Fällung freigegeben", betont Andrea Horny. Während der Bauzeit der neuen Gebäude an der Hauptstraße im vergangenen Jahr habe die Umwelt- und Naturschutzsachbearbeiterin jeden Monat die Eiche besichtigt und auf Schäden geprüft. Auch wenn der Baum nicht tatsächlich gefällt wurde, sei er durch den Zuschnitt zerstört worden, sagt Horny. Das käme wohl einer Fällung gleich. Ein Wiederaufleben der Eiche werde in diesem Zustand nicht mehr passieren. Das Landratsamt Ebersberg ermittle bereits - vorrangig gegen den Grundstücksbesitzer.

Der Eigentümer könnte zu einer Ersatzpflanzung verpflichtet werden

Evelyn Schwaiger, Sprecherin des Landratsamtes, bestätigt, dass "mit der Baugenehmigung vor Jahren auch die Auflage enthalten war, den Baum zu erhalten", ein derartiger Zuschnitt sei damit äußerst kritisch. "Nun wird die Bauverwaltung prüfen, ob eine Ersatzpflanzung gefordert werden kann", schreibt das Landratsamt.

Für Natalie Katholing, Gemeinderätin der Grünen in Kirchseeon, ist eine Ersatzpflanzung keine Alternative: Damit könne niemals ein mehr als 100 Jahre alter Baum ersetzt werden. Den Zuschnitt der Eiche bezeichnet Katholing als "unwiederbringliche Zerstörung", der Lebensraum für Tiere und einen natürlichen Staub- und Luftfilter vernichtet habe. Der Marktgemeinderat opferte vor zwei Jahren die Buche und die Esche gewissermaßen, um die Eiche zu erhalten. Außer zwei Grünen-Gemeinderäte stimmten alle anderen für diesen Kompromiss, der jetzt hinfällig ist - zum Ärger vieler.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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