Kirchseeon:Der Dreh des Gesetzes

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Eigentlich ist es ein Routineakt: Der Gemeinderat in Kirchseeon sollte über die Genehmigung für eine Litfaßsäule entscheiden. Doch dann folgte die Überraschung - die Säule stand schon längst.

Christoph Giesen

Kirchseeon - Tagesordnungspunkt drei. "Bauvoranfrage zu Errichtung einer Litfaßsäule". Eigentlich ein Routineakt, zwei, drei Wortmeldungen, wenig Diskussion und am Ende ein einstimmiges Ergebnis.

Brachte Schwung in die Diskussion des Gemeinderats: Die drehbare Litfaßsäule in Kirchseeon. (Foto: EBE)

Doch diesmal war alles anders im Kirchseeoner Gemeinderat: Aufgeregte Diskussionen, ein Bürgermeister, der sich erklären muss, und mehrere Gemeinderäte, die vor der Sitzung eine Ortsbegehung vorgenommen haben.

Die Litfaßsäule, über die der Gemeinderat entscheiden sollte, stand nämlich schon. "Ich habe auch erst kurz vor der Sitzung davon erfahren", verteidigte sich Bürgermeister Udo Ockel (CSU). "Abgesprochen war das nicht." Die Litfaßsäule müsse abgebaut werden, waren sich alle einig, erst wenn der Gemeinderat tatsächlich dem Bauantrag zustimmen sollte, dürfe sie wieder aufgebaut werden.

"Ich habe meine Litfaßsäule doch bloß testen wollen", beteuert Hans Sedlmaier. Er ist der Wirt des Mahagoni Pubs in Kirchseeon und er bedauert die ganze Aufregung. Auf keinen Fall habe er der Entscheidung des Gemeinderats vorgreifen wollen, sagt er. "Ich halte mich doch immer an die Vorschriften."

Seine Pflichten als Wirt kennt Hans Sedlmaier. "Jeder Gast muss sich über die Preise informieren können, bevor er den Pub betritt, das steht im Gesetz." Und das nimmt Sedlmaier sehr genau: Steht das Sonnenlicht ungünstig, kann man die Speisekarte im Glaskasten vor dem Mahagoni nicht mehr richtig lesen. Eine Zumutung für die Gäste, findet Sedlmaier. Es musste etwas geschehen. Nur was? Sich mit der Situation einfach abfinden? Nein. Eventuell einen Sonnenschutz basteln? Auch nicht. Hans Sedlmaier hatte eine andere Idee. "Eine viel bessere." Vor seinem Pub sollte sich eine Litfaßsäule drehen, beleuchtet von zwölf Led-Lampen, so dass man auch noch spät abends einwandfrei lesen kann, dass das Schweinerückensteak 9,50 Euro kostet und die Tiroler Speckplatte mit Meerrettich und Weißbrot mit sieben Euro zu Buche schlägt.

Und so baute Hans Sedlmaier in einer Garage in Baiern seine Litfaßsäule. Zehn Wochen lang, 112 Arbeitsstunden seiner Freizeit gingen drauf, 1200 Euro investierte er in das Material. Als er fertig war, ließ er mit einem Traktor die 492 Kilo schwere Säule abholen und vor das Lokal fahren. "Ich wollte sehen, ob alles funktioniert", sagt er. "Ich habe die Säule extra auf Holzlatten gestellt und noch kein Fundament gegossen." Dass just an diesem Tag der Gemeinderat über seine Voranfrage beraten würde, hatte er wohl verdrängt.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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