Kirchseeon:Das Geld liegt auf der Straße

Lesezeit: 3 min

Sollen Gewerbetreibende für Nutzung der Gehwege zahlen? Kirchseeon erwägt eine solche Satzung, die Nachbargemeinden gehen sehr unterschiedlich vor.

Von Ronen Steinke

Die Tische am Perchtenbrunnen in Kirchseeon stehen auf öffentlichem Grund. Bisher zahlt der Wirt hierfür nichts an die Gemeinde - aber bleibt es dabei? (Foto: EBE)

Kirchseeon - Im Sommer, wenn es aus dem Eisbecher auf die Sandalen tropft und die Bienen nur dürftig mittels Bierdeckeln vom Eintauchen in die Radlermaß abgehalten werden können, verlagert sich nicht nur das Leben auf die Straße, sondern für einige Gewerbe auch das Wirtschaften. Cafés und Gaststätten stellen Stühle nach draußen, Einzelhändler mitunter auch Verkaufstische. Wenn auf diese Weise in guter Lage gute Umsätze erzielt werden können, wenn der öffentliche Raum mithin zur Grundlage für private Gewinne wird - sollen dann die Steuerzahler, die jenen Raum bereitstellen und instand halten, nicht auch etwas zurückverlangen für ihre klamme Kasse? Über diese Frage wurde am Montag im Gemeinderat von Kirchseeon diskutiert.

Für die so genannte Sondernutzung von öffentlichen Flächen müssen Gewerbetreibende in Kirchseeon, wie auch in anderen Gemeinden, eine Genehmigung einholen. Der Marktgemeinderat hat im Jahr 2003 eine entsprechende Satzung erlassen. Anders als in mancher Nachbargemeinde allerdings werden in Kirchseeon anschließend, wenn zum Beispiel die Tische der Eisdiele vorschriftsgemäß um den Kirchseeoner Perchtenbrunnen herum gruppiert sind, keine Gebühren fällig. Eine entsprechende Gebührensatzung gibt es bislang schlicht nicht. "Das könnte man ja durchaus so belassen", sagte am Montagabend Kirchseeons Bürgermeister Udo Ockel (CSU). Die Stadt Ebersberg beispielsweise habe sich ganz bewusst dafür entschieden, ihren öffentlichen Raum kostenlos den Gewerben zur Verfügung zu stellen, um auf diese Weise das Geschäftsleben auf dem Marktplatz zu beleben. Allerdings: "Das sollten wir vorher diskutieren." Bislang war die Frage in Kirchseeon nie thematisiert worden: "Sollen wir diese Gewerbeflächen einfach verschenken?"

Für die Einführung von Nutzungsgebühren führte Ockel ein ordnungspolitisches Argument an. Jene Gastronomen in Kirchseeon, die ihre Tische im Sommer auf privaten, möglicherweise gepachteten Grund aufstellen müssten, weil ihnen ein Zugang zu ausreichend großen öffentlichen Flächen fehle, seien gegenüber der Konkurrenz am Marktplatz im Nachteil. Wenn die Gemeinde nun aber auch die Konkurrenz auf dem Marktplatz zur Kasse bitte, schaffe dies zumindest einen kleinen Ausgleich. Die Wettbewerbsverzerrung würde abgemildert.

Für die SPD stimmte Gemeinderat Sven Bittner mit einem sozialpolitischen Argument zu. Nachdem die Gemeinde in ihrer finanziellen Not im vergangenen Jahr vor allem solche Gebühren erhöht habe, welche Familien träfen - in Kirchseeon wurden Kinderhort- und Schwimmbadgebühren angehoben und Gebühren für die Nutzung von Sporthallen eingeführt -, sei es nun gut vertretbar, sich in der Not auch einmal an Gewerbetreibende zu wenden. Bittners Fraktionskollege Peter Seitz drückte das tags darauf noch deutlicher aus: An das "Kopiergeld", das die Gemeinde seit dem vergangenen Jahr von Schülern verlange, um etwa 4000 Euro im Jahr einzunehmen, denke er mit Bauchgrimmen zurück. "Wenn man das bei den Kindern tut, dann kann man das bei den Gewerbetreibenden mit mindestens dem gleichen guten Gewissen tun."

Zumal die Summe, die durch Gebühren für eine kommerzielle "Sondernutzung" der Gehwege insgesamt anfallen würde, moderat sei - zwischen 4000 und 5000 Euro im Jahr, schätzte Bürgermeister Ockel am Montag. Diese Summe würde Kirchseeon einnehmen, wenn die Marktgemeinde sich bei der Höhe der Gebühren an Nachbargemeinden wie Grafing oder Zorneding orientieren würde. Das Geld würde dann nicht nur durch Cafés und Biergärten aufgebracht werden - vielmehr müssten auch Bauherren, welche Baucontainer oder -gerüste auf öffentlichem Grund abstellten, für diese "Sondernutzung" zahlen.

Einzelhändler, die in den sonnigen Monaten Büchertische oder Kleiderstangen vor die Tür rollen, ebenfalls. Die anderen Gemeinden im Landkreis zeigen dabei in ihrem Umgang mit der kommerziellen Nutzung öffentlicher Flächen durchaus eine Bandbreite auf: Während Grafing mit vergleichsweise hohen Gebühren Bauherren, Gastronomen und Einzelhändler zur Kasse bittet, würde das kleine Zorneding zumindest seinen Gastronomen gerne kostenlose Gewerbeflächen zur Verfügung stellen. Die Stadt Ebersberg verzichtet, wie erwähnt, ganz darauf, Gebühren zu erheben.

Ob diese nicht auch die sommerlichen politischen Diskussionen an Infotischen verteuern würden, wollte am Montagabend im Kirchseeoner Gemeinderat noch die Grüne Christiane König wissen. Grafing beispielsweise verlangt für gewerbliche Infostände 40 Euro pro Tag; für nichtgewerbliche immer noch zehn Euro - und an diesen Tarifen will sich Udo Ockel orientieren. Ockel konnte schnell entwarnen. Infostände der Parteien dürfen kostenlos aufgestellt werden - aus Prinzip. Das steht so im Wahlgesetz.

© SZ vom 11.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: