Kirchseeon:Auf Rädern zum Schüler

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Die Co-Dozenten Christian Penner, Daniel Neugebauer und Gabriel Tibebu (von links) geben ihr Computerwissen unter Anleitung von Anne Holzer weiter. (Foto: privat)

Im BFW vermitteln Dozenten im Rollstuhl EDV-Kenntnisse

Aus der Küche in die Werkstatt: Ute Schoreisz schult seit Dezember 2015 wegen Kniebeschwerden im Berufsförderungswerk München (BFW) in einen anderen Beruf um. Die 23-Jährige ist gelernte Köchin, wird nun aber in Kirchseeon zur Arbeitspädagogin ausgebildet. "Ich möchte gerne mit psychisch Kranken arbeiten", sagt sie. In ihrem neuen Job wird sie als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sein. Doch für die neue Tätigkeit benötigt Schoreisz dringend Computerkenntnisse. Und die bekommt sie in der EDV-Schulung - einem inklusiven Projekt, das 2016 vom BFW und der Werkstatt für Körperbehinderte GmbH München (WKM) erstmals realisiert wird. Die Dozenten sind zum Teil auf einen Rollstuhl angewiesen.

Dozentin der EDV-Schulung ist Anne Holzer, EDV-Anwendungstrainerin und Fortbildungsbeauftragte in der WKM. Seit Januar kommt sie dienstags gemeinsam mit drei Co-Dozenten nach Kirchseeon: Gabriel Tibebu, Daniel Neugebauer und Christian Penner sitzen im Rollstuhl und arbeiten im Datenservice. Sie haben mehrere Module des Europäischen Computerführerscheins ECDL mit externer Online-Prüfung erfolgreich absolviert. Dieser zählt zum großen Weiterbildungsangebot der WKM für ihre Mitarbeiter.

Das vierköpfige Team unterrichtet die künftigen Arbeitspädagogen jeweils zwei Stunden in Excel, PowerPoint und Word. Als Office-Anfängerinnen werden Schoreisz und ihre Kollegin Berta Mühlbauer-Rößner in der EDV-Schulung von manchen computerspezifischen Fachbegriffen ein wenig überfordert. Doch bei Fragen können sie sich an die Dozenten wenden, die mit ihrem Rollstuhl herbeiflitzen. "Ob der Dozent im Rollstuhl sitzt oder nicht ist völlig egal. Die Behinderung ist in keiner Weise spürbar", sagt Mühlbauer-Rößner.

Zudem gehen die Experten auf ihre Schüler individuell ein: Wer sich bereits besser mit dem PC auskennt, bekommt auch weiterführende Updates. Dabei treten Tibebu, Neugebauer und Penner im BFW zum ersten Mal als Dozenten auf: "Es ist eine gute Erfahrung, einmal den Blick von der anderen Seite zu bekommen", sagt Tibebu und Neugebauer fügt hinzu: "Wir nutzen diese einmalige Chance, Computerwissen weiterzugeben, das wir selbst erlernt haben."

Das inklusive EDV-Projekt, das vorläufig bis zur nächsten Praktikumsphase Anfang Juni geplant ist, vermittelt nicht nur Computerwissen, sondern baut gleichzeitig Berührungsängste ab. "Und wir kommen aus unserem geschützten Bereich heraus und bewegen uns in der normalen Gesellschaft", sagt Penner. "So merken alle, dass das Ganze gar nicht schlimm ist."

Die WKM ist eine von 14 Gesellschaften der Pfennigparade - eines der größten Rehabilitationszentren für Menschen mit Körperbehinderung. Derzeit arbeiten etwa 600 vorrangig körperlich behinderte Menschen für die Einrichtung. Aufgrund ihrer Behinderung sind sie derzeit nicht am allgemeinen Arbeitsmarkt tätig. Zum Arbeitsangebot der WKM zählen beispielsweise die Bereiche Datenservice und Büroservice, OpenWebService oder auch Kunst, Handwerk und Gärtnerei.

© SZ vom 12.04.2016 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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