Kirche im Landkreis Ebersberg:805 Austritte in einem Jahr

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Die Kirchen - hier Sankt Sebastian in Ebersberg - haben große, hohe Räume zu heizen. Das kostet viel Geld. (Foto: Christian Endt)

Auch im Landkreis Ebersberg steigt die Zahl der Austritte bei Katholiken wie Protestanten seit Jahren an. Die Pfarrer versuchen gegenzusteuern - mit Religionsunterricht für Erwachsene und modernen Gottesdiensten für Kinder

Von Franziska Bohn, Ebersberg

— Wenn der Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Margaret in Markt Schwaben, Herbert Walter, beim Familiengottesdienst mit den Kindern gemeinsam Fürbitten sprechen möchte, sind meistens keine da. Und auch immer weniger Erwachsene sitzen in den Bänken. Die Austritte aus der katholischen Kirche sind im vergangenen Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen: 805 Austritte - gegenüber nur fünf Eintritten - verzeichnete die katholische Kirche im Landkreis Ebersberg. 2017 waren es noch 643 Austritte, davor hatten sich die Verluste bei einem Durchschnitt von 677 gehalten. Den Markt Schwabener Pfarrer macht das traurig: "Wir tun hier alles, um den Leuten die Sache Jesu zu verkünden." Während der Erstkommunion seien die Kinder noch mit viel Spaß dabei - und dann plötzlich weg.

In der evangelisch-lutherischen Kirche zeigt sich ein ähnliches Bild. In der Kirchengemeinde Ebersberg, die auch Kirchseeon, Steinhöring und Hohenlinden umfasst, gab es 2018 72 Austritte - deutlich mehr als im Jahr zuvor, als 39 Verluste registriert worden waren. Im Jahr 2016 waren es gar nur 22 Austritte, es gab allerdings auch schon Jahre, in denen die Zahl der Austritte noch deutlich höher war als im vergangenen Jahr. 2014 zum Beispiel verließen 103 Menschen die evangelische Gemeinde Ebersberg.

"Das ist immer eine Enttäuschung, selbst für einen Pfarrer mit Tausenden Mitgliedern", sagt Pfarrer Gereon Vogel-Sedlmayr von der evangelisch-lutherischen Petrikirche in Vaterstetten. Die Gründe sieht er "in den Bedingungen unserer Zeit": "Auf der einen Seite genießen wir in der Moderne ein hohes Maß an Freiheit, andererseits stehen menschliche Bindungen unter Stress." Viele Ehen werden geschieden, Familienbande lockern sich und auch religiöse Bindungen lassen laut Vogel-Sedlmayr nach. Zu dieser Entwicklung gehöre, dass so viele Menschen aus der Kirche austreten. Markt Schwabens Pfarrer Herbert Walter sieht die Hauptgründe in großkirchlichen Themen wie Missbrauchsvorwürfen und Veruntreuungen: "Das sind mit Recht gute Gründe. Das alles kann man einfach nicht gutheißen." Insgesamt gebe es eine Entfernung vom Glauben: Der spiele oft keine Rolle mehr im Alltag, Tischgebete würden nicht mehr gesprochen und der Kirchgang am Sonntag falle weg.

Den Antrag zum Austritt füllt man im Standesamt aus, mit einem Pfarrer reden muss man dafür nicht. Doch jeder Kirchenaustritt wird den zuständigen Pfarreien gemeldet. Deswegen bekommt man danach einen Brief vom jeweiligen Pfarrer - und wird zum persönlichen Gespräch geladen. Für Pfarrer Walter ist es besonders wichtig, mit den Leuten im Gespräch zu bleiben, deswegen hofft er auf Rückmeldungen. Er wolle versuchen, da zu sein - trotz alledem. "Vielleicht kann ich ja Antworten geben", sagt er.

Vaterstettens evangelischer Pfarrer Vogel-Sedlmayr möchte in seinem Brief an die Kirchenaustreter vor allem nicht vermitteln: "Du bist böse, weil du aus der Kirche ausgetreten bist!" So würde er nur einen Zwist entfachen. Vielmehr möchte der Pfarrer den Menschen gerne sagen: "Wenn du wieder bereit bist, freuen wir uns auf dich und heißen dich wieder in der Kirche willkommen." Die meisten Menschen hätten sich die Entscheidung, nicht religiös leben zu wollen, schließlich nicht einfach gemacht. Er wolle nicht unangenehm in Erinnerung bleiben. "Auch Wiedereintritte gibt es immer mal wieder", sagt er.

Gereon Vogel-Sedlmayr versucht in seiner Gemeinde, den Glauben wieder neu zu erklären - etwa durch Religionsunterricht für Erwachsene. Er ist überzeugt: "Menschen, die glauben, sind glücklicher." Zwei mal im Jahr bietet er diesen Workshop an, seit sechs Jahren mittlerweile. Sein katholischer Kollege aus Markt Schwaben setzt auf ein neues pastorales Konzept. Jede Pfarrei sei angehalten, Schritte zu suchen, wie sie mit Hilfe der Gläubigen den Glauben stärken kann. So gebe es bei ihm etwa einen Gottesdienst für Kindergartenkinder oder modern gestaltete Gottesdienste. In Markt Schwaben hofft Pfarrer Walter, dass sich die Leute melden, die mit der Situation vor Ort nicht zufrieden sind, denn daran könne der Pfarrer oftmals etwas ändern.

Fest steht, dass beide Pfarrer die zunehmenden Austritte skeptisch beobachten. Denn für Vogel-Sedlmayr spricht der Glaube eine Seite des Menschen an, wie es durch Geld, Urlaub oder Kultur nicht möglich sei. "Aber wie der Glaube wiederkommen kann, da bin ich skeptisch", sagt er. Auch sein katholischer Kollege sieht der Zukunft eher "verhalten optimistisch" entgegen. Austritte werde es noch länger geben, doch Walter ist sich sicher: "Die Sache Jesu ist gut und bleibt."

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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