Kinderbetreuung:Kitas: Im Landkreis Ebersberg werden Eltern nicht überprüft

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In München werden die Eltern überprüft, in Ebersberg konzentrieren sich die Träger nur auf die Kinder (Symbolbild). (Foto: dpa)

In Münchner Kindertagesstätten werden die Angaben zur Berufstätigkeit kontrolliert. Anderswo halten das die Träger für überflüssig.

Von Anja Blum, Ebersberg

"Den Münchner Weg finde ich krass, den würde ich nicht einschlagen wollen", sagt Maria Boge-Diecker, Geschäftsführerin des Kinderlands Plus in Poing. Die Landeshauptstadt verlangt künftig von allen Eltern, die sich für einen Kita-Platz bewerben, einen Nachweis über ihre Berufstätigkeit, das heißt eine Bestätigung des Arbeitgebers. Damit reagiert die Stadt auf zahlreiche Betrugsfälle: Um sich gegenüber der großen Konkurrenz um Krippen- und Hortplätze bessere Chancen zu verschaffen, machen Eltern offenbar immer wieder falsche Angaben, zum Beispiel, dass beide Erziehungsberechtigten voll berufstätig seien.

Im Landkreis Ebersberg sind Kita-Plätze zwar mancherorts auch Mangelware, doch nach Auskunft der hiesigen Träger ist die Situation längst nicht so angespannt wie in München - so dass auf derart drastische Maßnahmen bislang verzichtet werden könne. Selbst in Vaterstetten, wo es im Moment wesentlich weniger Plätze als Nachfragen gebe, kämen falsche Angaben der Eltern über ihre Berufstätigkeit nur sehr selten vor, erklärt Natascha Linge, Sprecherin der Diakonie Rosenheim. "Mir ist kein Missbrauch bekannt", sagt auch Boge-Diecker von der Kinderland Plus GmbH. Der Träger betreibt allein in Poing und Vaterstetten neun Kindertagesstätten.

Die meisten Träger im Landkreis richten sich bei der Vergabe ihrer Kita-Plätze nach einem vom Ebersberger Landratsamt empfohlenen Kriterienkatalog. Dabei wird zwar abgefragt, ob die Eltern grundsätzlich berufstätig sind oder nicht, allerdings müssen sie dies nicht nachweisen und auch keine konkreten Arbeitszeiten angeben. "Außerdem gibt es darüber hinaus noch viele andere Kriterien", sagt Ulrike Bittner, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt, einem der größten Träger im Landkreis.

Wichtig sei zum Beispiel das Alter des Kindes, oder ob bereits Geschwister in dieselbe Einrichtung gingen. Eine Rolle spielten auch die Buchungszeiten, sowie die soziale Gesamtsituation im Elternhaus, ob das Kind von einem alleinerziehenden Elternteil erzogen wird, ob ein Migrationshintergrund oder sonstiger Förderbedarf besteht. "Es gibt Kinder, denen tut es einfach sehr gut, in einer Kita betreut zu werden - unabhängig davon, ob die Mutter zu Hause ist oder nicht", sagt Bittner. "Und unser Auftrag ist das Kind."

Skepsis gegenüber dem Münchner Beschluss

Nicht nur deshalb ist die Awo-Geschäftsführerin sehr skeptisch gegenüber dem Münchner Beschluss, die Platzvergabe von der Berufstätigkeit der Eltern abhängig zu machen. "Wie will man denn da entscheiden?", fragt sie. "Was ist, wenn einer der Eltern gerade auf der Suche nach einer Arbeit ist oder schwer krank? Oder daheim den Großvater pflegt?" Ihrer Meinung nach seien Kita-Träger nicht dazu da, Lebenskonzepte zu vergleichen und zu werten. "Ich jedenfalls maße es mir nicht an, auf so einer Grundlage zu entscheiden", sagt Bittner.

"Alle Eltern werden ihre Gründe haben - und die gehen mich nichts an." Überdies spreche aus einer solchen Nachweispflicht eine misstrauische Haltung, die einer positiven Partnerschaft zwischen Kita und Eltern sicherlich nicht zuträglich sei. Auch bei der Diakonie geht man, wie eine Sprecherin mitteilt, "generell erst einmal von der Glaubwürdigkeit der Eltern aus", genauso wie bei Kinderland Plus. Boge-Diecker teilt die "ethischen Bedenken" ihrer Kollegin, weist aber noch auf einen weiteren Punkt hin: Die Berufstätigkeit der Eltern zu überprüfen, würde einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten - "das wäre verrückt!"

Also setzen die Träger im Landkreis auf eine andere Strategie, und die lautet "miteinander reden". Bei Kinderland Plus etwa führen die Leiterinnen oder Leiter bei jeder Aufnahme ein persönliches Gespräch mit den Eltern. "Und da stellt sich dann ohnehin schnell heraus, wie die Situation in der Familie ist, wer wie viel arbeitet und warum welche Buchungszeit benötigt wird", sagt Boge-Diecker. In ländlichen Gemeinden sei es in der Regel kein Problem, die Plätze gerecht zu vergeben, sagt Christian Althoff vom Ebersberger BRK. Erstens, weil es meist genügend davon gebe, und zweitens, "weil man sich sowieso kennt".

Und sollte es trotz aller Bemühungen einmal keine Lösung geben, sagt Boge-Diecker, so empfehle sie den Eltern, sich an die Gemeinde zu wenden. "Schließlich ist es letztlich deren Aufgabe, für ausreichend Plätze zu sorgen." Althoff hingegen sagt, dass er "durchaus reagieren würde", wenn die Situation im Landkreis sich entsprechend zuspitzen sollte, vielleicht sogar mit einer Nachweispflicht für die Eltern. Schließlich habe er jahrelang in Riem gearbeitet und wisse deshalb, wohin der Kampf um die Kita-Plätze führen könne. "Ich hoffe einfach nur, dass dieser Kelch an uns vorübergeht", sagt seine Awo-Kollegin Bittner und seufzt.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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