Kinderbetreuung:Fatale Regulierungswut

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Tagesstätten werden vom Gesetzgeber mit immer komplizierteren Auflagen überzogen. Deshalb müssen viele kleine Träger inzwischen die Arbeit einstellen

Von Anja Blum

Der Schritt, den der Anzinger Diakonieverein nun geht, indem er die Verantwortung für seinen Kindergarten abgibt, ist absolut nachvollziehbar. Etwas zu leisten, mit dem manch hauptamtliche Kraft überfordert ist, das geht über Sinn und Zweck des Ehrenamts weit hinaus. Zumal die Freiwilligen in diesem Fall ein echtes Damoklesschwert über sich wissen: Machen sie auch nur den geringsten Fehler, droht der persönliche finanzielle Ruin. In Poing ist es zwar noch nicht so weit gekommen, da sich die Gemeinde entschlossen vor ihre Ehrenamtlichen stellt, doch aus der Welt ist das Problem hier beileibe noch nicht: Sollte das Gericht entscheiden, dass bei den Fehlern des Poinger Diakonievereins Vorsatz im Spiel war, und außerdem Bürgermeister Albert Hingerl mit seinem Kampf gegen die Forderungen des Freistaates, der seine Fördergelder wiederhaben möchte, unterliegen - so kann es sein, dass letztendlich eine private Existenz zerstört sein wird. Auch vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Anzinger zu sehen.

Alles andere als nachvollziehbar ist jedoch, was der Gesetzgeber auf dem Feld der Kinderbetreuung veranstaltet. Die Tagesstätten werden mit immer komplizierteren Auflagen überzogen - als könne man alleine damit das Qualitätsproblem lösen. Dafür aber bräuchte es in erster Linie mehr Personal. Folge der Regulierungswut ist vielmehr, dass die kleinen Träger, vor allem die ehrenamtlichen Vereine, aus der Landschaft der Kinderbetreuung verdrängt werden. Das schadet dem ganzen System. So werden Monokulturen gezüchtet, die Artenvielfalt nimmt langsam aber sicher ab. Dabei schreibt der Gesetzgeber den Gemeinden selbst vor, in der Kinderbetreuung eine gewisse Pluralität zu bieten. Schließlich sollen die Eltern ja wählen können, zwischen einem christlichen Träger, einem Wohlfahrtsverband oder einem reformpädagogischen Konzept, wie sie viele Vereine bieten.

Weiß die Politik also nichts von den Folgen? Oder nimmt sie das Sterben der Kleinen einfach billigend in Kauf? Vielleicht ist es gar gewollt, wie man in Anzing vermutet. Die Landtagsabgeordnete Doris Rauscher aus Ebersberg hat bereits im vergangen Jahr beim Ministerium nachgefragt, wie viele Kita-Träger bislang in finanzielle Nöte geraten sind. Die Antwort lautete: Darüber liegen keine Informationen vor.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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