Werner Meier ist ein Künstler zum lieb haben. Als Teil des fantastischen Kinderlieder-Duos Sternschnuppe sowieso, aber auch solo. Zwar steckt in seinem Musikkabarett schon immer der ein oder andere gesellschaftskritische Seitenhieb, doch immer so galant verpackt, dass es sicher niemandem weh tut. Schließlich ist Meier hauptberuflich bayerischer Charmebolzen. Mit seinem neuen Programm aber verlässt der Liedermacher aus Ottenhofen diese Komfortzone nun erstmals. Und er gibt so viel Persönliches preis wie noch nie. "Nah dran", lautet der Titel - und das ist nicht zu viel versprochen.
Bislang war Meier bekannt als ziemlich unpolitischer Kabarettist, und mit Parteiengeschacher oder parlamentarischen Fehlentscheidungen hat er auch nach wie vor nichts am Filzhut. Doch das neue Programm enthält eine klare Botschaft: Meier singt und spielt an gegen die AfD und Rechtsextremismus, wirbt für Multikulti, Offenheit und echte Hilfsbereitschaft. Denn "Brot für die Welt, aber die Wurst bleibt hier" ist seine Sache nicht. Angesichts des Rechtsrucks in Deutschland müsse man "einfach klar Kante zeigen", sagt er, vor allem auch auf der Bühne.
Und so kommt es, dass das Publikum im ausverkauften Anzinger Weinbeisser nicht nur unbeschwert lacht, sondern auch eine neue, etwas weniger leicht verdauliche Seite Meiers kennenlernt. Höhepunkt ist ein Wutausbruch des Ottenhofeners, in dem er sich für die sofortige Abschiebung aller Straftäter stark macht - und damit das Publikum hinters Licht führt. Denn wie sich herausstellt, spricht Meier nicht von Geflüchteten, sondern von Neonazis. Sie alle sollten bitte samt Springerstiefeln die Balkanroute rückwärts laufen bis ihnen Bomben um die Glatzen flögen. Das Publikum, so scheint es, ist ein wenig irritiert ob des neuen Meiers und verstummt. Kein Klatschen, kein Lachen. Pure Nachdenklichkeit, Betroffenheit vielleicht gar?
Doch Meier lässt nicht locker und schiebt sofort ein Lied hinterher, in dem er den braven Wutbürger fragt, woher denn sein Hass komme. Ob es ihm nicht gut gehe - oder vielleicht sogar zu gut? Und schon beim nächsten Song über den "Multikulti-Wirt von Ottenhofen" - angeblich bildet der Text die Realität eins zu eins ab - hat der die gute Laune wieder auf seiner Seite, das Publikum singt den Refrain begeistert mit. Als es kurz darauf in die Pause geht, summt jemand auf dem Gang die Melodie, und aus dem Küchenfenster hört man dieselbe pfeifen. Ein echter Ohrwurm.
Mut zur Ehrlichkeit beweist Meier jedoch nicht nur in politischer, sondern auch in emotionaler Hinsicht: Mit einem Lied lässt er das Publikum teilhaben an seinem Gefühl, dass das Leben manchmal der Himmel ist - oder zumindest "ganz nah dran". Und dass es kleine, unverhoffte, aber intensive Momente sind, die das Glück ausmachen. Seien es die nackten Füße im Gras, der erste Tanz mit der großen Liebe oder die Geburt der Tochter. Wenn man spürt: "Du bist mitt'n im Leb'n - und du willst gar ned mehr". Später wird noch deutlicher, wo Meier gedanklich herkommt: Ein ganzes Lied hat er seiner Kindheit in den 50er Jahren gewidmet, "als i no a kloaner Bauernbua war". Als "Siebter von acht" hatte er da keine Annehmlichkeiten zu erwarten, dafür aber jede Menge Freiheiten und Abenteuer. Die Zehen im warmen Kuhfladen, den Geruch von frisch gebackenem Brot in der Nase, in den Haaren lauter Heu: Mit welcher Liebe er dieses einfache, aber unbekümmerte Leben beschreibt, ist sehr authentisch - und schlicht berührend.
Die gesellschaftliche Gegenwart nimmt Meier schon lange gern aufs Korn, ihn bestürzt vor allem, wie sich der Mensch freiwillig diversen radikalen Nahrungs-Ideologien und allerhand technischem Hilfsgerät unterwirft - "Da is' er auf oamoi nimma der Bauer, sondern wieda der Knecht." Und freilich gibt es mit Meier auch immer Gaudi - mit seinen Klassikern über den Thermomix oder vom verliebten Pfarrer. Oder - neu - mit dem "Schweinehund", der Bier bringt und faul vorm Radlschuppen liegt. Doch sein neuer Mut und die Wut, beides steht Werner Meier sehr gut.