"Am Ende fliegen so viele Flaschen auf euch zu, dass ihr überhaupt nicht mehr mitzählen könnt." In einem Video der Polizei München beschreibt ein Beamter, umrahmt von düster stimmungsvollem Licht, aus erster Hand, was geschehen kann, wenn sich diejenigen gegen die Polizei wenden, die sie eigentlich schützen soll. Im Englischen Garten wurden im Mai Einsatzkräfte verletzt, nachdem die umher stehende Menge anfing, sie mit Glasflaschen zu bewerfen.
Kein Einzelfall: Vergangenes Jahr wurden in Bayern 8587 Fälle verbaler und körperlicher Gewalt gegen Polizeibeamte gezählt, mehr als je zuvor. Laut Innenministerium ist das ein Anstieg von 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wobei mehr als die Hälfte Fälle körperliche Gewalt waren. 1467 solcher Taten, also 17,2 Prozent der Gesamtanzahl, entfallen laut Polizeipräsidium München allein auf die Landeshauptstadt. Im Landkreis Ebersberg ist man von solchen Zuständen weit entfernt, hier gab es im vergangenen Jahr 54 solcher Straftaten, im Jahr davor 51. Allerdings tragen die betroffenen Einsatzkräfte oft Verletzungen aus den Übergriffen davon. Im Landkreis Ebersberg waren es vergangenes Jahr 26 Verletzte. Im Nachbarlandkreis Erding ging die Zahl der erfassten Angriffe 2020 im Vergleich zu 2019 mit 115 Fällen sogar etwas zurück. Dennoch wurden 44 Beamtinnen und Beamte verletzt, sieben mehr als im Vorjahr.
Peter Meier von der Polizeiinspektion Ebersberg sieht in der zunehmenden Aggressivität ein grundsätzliches Problem, das sich nicht nur auf Ballungsräume beschränke. Die lang anhaltenden Corona-Maßnahmen seien dabei nicht notwendigerweise Auslöser des Trends. Vielmehr würden Polizeieinsätze grundsätzlich kritischer gesehen. Passanten mischten sich viel öfter ein, auch ohne den gesamten Sachverhalt zu kennen. Wie in der Polizeiinspektion Ebersberg war auch im Einsatzgebiet der Inspektion Poing 2020 eine leichte Zunahme von Gewalttaten gegenüber Einsatzkräften zu verzeichnen. Helmut Hintereder, Chef der Polizeiinspektion, äußert sich dazu dennoch gelassen. Es sei kein Thema, das seine Kolleginnen und Kollegen beunruhige.
Bei anderen Kollegen herrscht auf der Suche nach einer Erklärung dagegen Ratlosigkeit: "Menschen bekommen mehr Freiheiten und gehen dann auf unsere Leute los", sagt Peter Pytlik, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bayern. Er hält es für möglich, dass die Corona-Beschränkungen oft zur Eskalation beitragen würden - und Alkohol. Die Entwicklung sei aber nicht neu: Menschen in Uniform würden immer mehr zum Feindbild. Pytliks Stellvertreter Florian Leitner hofft, dass die neue, funktionalere Dienstkleidung sowie der Einsatz von Bodycams zur Verbesserung der Lage beitragen, wozu es aber noch keine Daten gebe. Zu lösen sei das Problem ohnehin nur durch Kommunikation, ist man bei der GdP überzeugt. Mit der Aktion "Ich bin nicht dein Feind" wirbt man daher mit Plakaten dafür, nicht nur auf die Uniform zu schauen, sondern auf die Menschen darin.