Jazz vom Feinsten:Helle Begeisterung

Lesezeit: 2 min

Anna Leman (rechts) und Band bei ihrem Aufritt am Donnerstagabend in der Grafinger Turmstube. (Foto: Christian Endt)

Anna Leman und Band bei Jazz im Turm in Grafing

Von Claus Regnault, Grafing

Die Jazzstimme ist kein Ergebnis spezieller Ausbildung oder der erworbenen Gesangstechnik allein, sie ist ganz entscheidend Ergebnis persönlicher Lebenserfahrung, die Charakter und Ausdrucksfähigkeit der Stimme unverwechselbar prägt. Anna Leman, die mit ihrer Band am Donnerstag in der Turmstube der Grafinger Stadthalle zu Gast war, hat eine derart erfahrene, unverwechselbar eigene Stimme. Rhythmisch sehr beweglich, präsentiert sie diese leicht rauchige Stimme als Teil einer permanent tänzerischen Körperbewegung, eine sehr frauliche Verführung zum Hinschauen und Hinhören.

Sie brachte ein Ensemble mit, welches auf sie eingeschworen scheint und in seiner Perfektion das Publikum von Anfang an zu heller Begeisterung entfachte. Da war der groß gewachsene Josef Reßle am Piano, dem er sehr überlegte, fast zärtliche Improvisationen entlockte, neben Leman Janine Schrader an Tenorsaxofon und Querflöte, die beide durchaus gegensätzlichen Stimmen perfekt beherrschte und gelegentlich als Zweitstimme chorisch mitsang. Am Bass Christian Schantz, der sein Instrument konzentriert, sprach-farbig und rhythmus-sicher beherrschte. Der zunächst sehr zurückhaltende, aber dann in seinem Solo, in Astor Piazzollas "Libertango", zu mächtiger Rhythmus-Vielfalt an Drums und Percussion auflaufende Wolfgang Peyerl. Und bei einigen Nummern trug Anna Rehker zur Besänftigung des Klangbildes mit dem Gesang ihres Cellos bei.

Das Programm dieser Gruppe durchmaß verschiedene Rhythmuswelten, so neben Swing und Bebop im vorerwähnten Piazzolla Bossa Nueva, kubanisch in "Una Noche Mas" (Yasmin Levy) oder Lemans "Sommer auf der Haut". Das Spiel der Gruppe geriet von Stück zu Stück dichter und klanglich reicher, die vorerwähnte ausgedehnte Version des "Libertango" entfaltete den Zauber dieses Stücks zum Höhepunkt ihrer Performance.

Aber mit diesem Gastbeitrag war der Abend noch nicht erschöpft, denn die dort erlebte Qualität schien auch die Zungen der zahlreich zur anschließenden Jamsession erschienenen Musiker gelöst zu haben. So hörten die Besucher ein inspiriertes Tenorsax-Duell zwischen dem blues-starken Stephan Zenker und dem ehemaligen Klatt-Schüler Schönberger. Der zur Hauskoryphäe an der Gitarre gewachsene Martin Wesslawski war ebenfalls blues-stark und virtuos-improvisationsmächtig zugange. Reßle am Piano wechselte aus der Begleiterrolle in der Leman-Band in pianistische Höhenflüge.

Und dann noch eine Überraschung: An den Drums ließ sich, zunächst ganz bescheiden, der junge Chinese Zihan Xu nieder, begleitete kundig und brav die anderen, um dann in seinen Soli zu einer fast schon reifen Rhythmus-Vielfalt, ja donnernden Sprachmächtigkeit vorzudringen. Auf die Frage, wo er dieses Drumming erlernt habe, antwortete er: "München!". China schickt sich also nicht nur an, die Welt wirtschaftlich zu erobern, es reißt sich sogar den Jazz unter den Nagel.

Die mehr als voll besetzte Turmstube ließ nicht ab zu jubeln und erzielte einen wunderbar beruhigenden Abgesang: "My funny Valentine", dessen zarter Charme, von Anna Leman und ihren Begleitern aus Band und Jamsession traumhaft intoniert, in den Abschiedstraum dieses grandiosen Abends entführte.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: