Jazz in Ebersberg:Expertise mit Humor

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Meister der vielfältigen Töne: Sängerin Stefanie Tornow und Trompeter Christos Anastasiadis im Ebersberger Café Zimtblüte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Konzert mit Christos Anastasiadis wird das Café Zimtblüte zum Haus der Temperamente

Von Daniel Fritz, Ebersberg

Vier spannende und versierte Kollegen hat der Grafinger Bassist Josef Ametsbichler - einer der vielseitigsten seiner Zunft - nun zu einem Konzert im Ebersberger Café Zimtblüte mitgebracht, darunter einen griechischen Jazztrompeter. Wie sich herausstellen wird, ist die Mischung so facettenreich wie harmonisch. Das jazzfreudige Publikum fühlt sich sichtlich wohl in dem schönen Café, scheint zu wissen, dass es hier nicht nur kulinarisch auf seine Kosten kommen wird. Die Musiker haben in dieser Besetzung zwar nicht geprobt, kennen sich aber zum Teil aus anderen Gruppierungen, etwa aus der Bigband des Ebersberger Jazzfestivals.

Der griechische Gast hat Klassikkarriere und gut bezahlte Orchesterengagements hinter sich gelassen, um als freier Musiker den Jazz zu (be)leben. Was für ein Glück! Denn Christos Anastasiadis erzählt mit Trompete, Flügelhorn und drei Dämpfern in unzähligen Klangfarben. Er spielt mit sichtbarer Freude und sehr ausdrucksstark, kann den strahlenden Ton ebenso wie die verrauchte Jazztrompete. Dazu flüstert und schreit, säuselt, zwitschert, faucht, und flattert es, ein vergnügliches Spiel, das die Zuhörer oft zum Lachen bringt. Aufmerksam und zurückhaltend unterstützt Anastasiadis die Gesangsnummern, unterstützt den Groove auch mal gekonnt mit einem Shaker-Ei. Er bewegt sich viel und lächelnd, lebt die Musik - auch die seiner Mitspieler.

Auch wenn Sängerin Stefanie Tornow im Gegensatz zu ihren Kollegen kein Musikstudium absolviert hat, will man sie nicht zu den Laien zählen. Die Stimme ist toll: Ihr sauber intonierter Gesang erklingt mit einem weich-jazzigen "neutral sound", ohne große Schnörkel und Vibrato in angenehmer Lautstärke. Ihre Linien sind schön und variieren mit gutem Gespür die orignalen Kompositionen (besonders gefühlvoll: "Cry Me A River" und "The Man I Love"), auch Tornows Textaufteilung ist oft ungewöhnlich. Schade nur, dass sie zu Beginn recht schüchtern auftritt, an ihren Texten hängt und unsicher wirkt, wenn die anderen solieren. Nach den ersten Stücken aber entspannt sich die Sängerin immer mehr, kommt an auf der "Bühne" und kann mit ihren guten Ideen und schön geschliffenen Tönen überzeugen.

Bassist Josef Ametsbichler ist souverän an seinem Instrument und als Typ. Man sieht, hört und spürt, dass diese Frohnatur schon lange auf der Bühne steht und diese immer noch liebt. Er schaut seine Mitmusiker viel an, spielt ihnen zu, freut sich darüber, was im spontanen Zusammenspiel entsteht und lächelt kleine rhythmische Fehler und harmonische Uneinigkeiten einfach weg. Schlagzeuger Thomas Elwenspoek wirkt konzentrierter und ernster. Seinem schön gestimmten Drumset entlockt er mit Sticks, Hot Rods (dünne, gebündelte Holzstifte) und Jazz-Besen eine Vielfalt an Klängen. Seine stabile Time und seine Technik sind beeindruckend: Es gibt viel schnell und dabei trotzdem leise Gespieltes (!), und wer ihm beim Besenspiel auf die Snare schaut, entdeckt etliche Varianten und Wischmuster. Beim Latinjazz "Afro Blue" spielt er melodiös auf den Toms mit dem Motiv - toll! Elwenspoek scheinen die Ideen nicht auszugehen, einziger Kritikpunkt (typisch für Top-Musiker): Es könnten ein paar Fills, Synkopen und Rhythmusverschiebungen weniger sein, denn die ostinaten Grooves von Swing und Bossa, über Latin bis Hip-Hop sind an sich schon sehr lebendig.

Cedrik Bonnet trägt an den Tasten einen weiteren Charakter zur bunten Truppe bei: Der Profipianist mit französisch-karibischen Wurzeln wirkt ruhig und introvertiert - nicht aber seine Musik! Auf alten Wersi-Keys spielt er ein kerniges E-Piano, das sich gut durchsetzt und den warmen Kontrabasston ergänzt. Bonnet greift schräge Voicings, legt flirrende, vielstimmige Akkorde, groovt und improvisiert in beachtlichem Tempo recht entspannt auch über komplexere Akkordfolgen.

Bass, Schlagzeug und Tasten sind neben der Trompete erfreulich gleichberechtigt, auch beim Solieren. Überhaupt ist die Dynamik der ganzen Band erfrischend breit: Alle können und spielen pianissimo bis forte, und das tut den Songs, dem Programm, dem ganzen Abend sehr gut. Eben das macht Jazz so spannend: niemand, der diesen Musikern genau notiert, was sie wann tun sollen. Und so ist es immer wieder aufregend zu sehen, wie kommuniziert wird. Diese Musiker hören sich gut zu, Thema, Endings und Soli werden per Handzeichen ausgemacht. Das freie Spiel funktioniert gekonnt. Man traut sich oft, den sicheren Weg zu verlassen - harmonisch, rhythmisch sowie im Ablauf.

Dieses mutige Spiel resultiert in einem kurzweiligen Jazzabend mit vielen Standards in diversen Stilistiken und ein paar Kompositionen des Trompeters. Bei der Zugabe liefert dieser sich noch ein bluesiges, freundschaftliches Gesangs-Duell mit Stefanie Tornow und unterstreicht noch einmal seine Position: Musik auf hohem Niveau - aber bitte keinesfalls trocken und humorlos.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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