Internationale Wanderausstellung in Grafing:Zeugnisse des Schreckens

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Das Projekt "Namen statt Nummern" macht den Terror im KZ Dachau anhand einzelner Biografien ehemaliger Häftlinge greifbar.

Anja Blum

Das Konzentrationslager in Dachau liegt einige Kilometer vom Landkreis entfernt - und ist doch ganz nah. So nah, dass es weh tut. Zumindest, wenn man die internationale Wanderausstellung "Namen statt Nummern" besucht, die derzeit an mehreren Orten in Grafing zu sehen ist. Diese Schau berührt mit einer ganz besonderen Darstellung des Naziterrors - sie präsentiert Biografien ehemaliger Häftlinge - und macht darüberhinaus deutlich, dass eine menschenverachtende Einrichtung wie das KZ Dachau seine finsteren Schatten selbstverständlich auch in den Ebersberger Landkreis geworfen hat.

Acht Namen von KZ-Opfern aus Grafing sind in der evangelischen Kirche veröffentlicht - von Josef Ettmüller bis Josef Zollner. Grafings Pfarrer Axel Kajnath hat sie von seinem jüngsten Besuch in Dachau mitgebracht. "Viel mehr als die Namen wissen wir leider nicht, aber wenn jemand weitere Informationen hat, soll er sie bitte an Bernhard Schäfer weitergeben." Der Kreisarchivar arbeitet an einer systematischen Erforschung der NS-Zeit im Landkreis und spricht am Dienstag, 15. November, um 19.30 Uhr im Gemeindehaus über Ebersberger Opfer und Täter im KZ Dachau.

Die Ausstellung sei "immer auch ein Anlass, die eigene Ortsgeschichte zu hinterfragen", sagte der Dachauer Diakon Klaus Schultz bei seiner Einführung. Er selbst sei jüngst auf die Namen zweier Ebersberger Häftlinge gestoßen, und in Markt Schwaben habe gerade eine Gruppe von Gymnasiasten mit der Recherche begonnen. Hinter der Schau nämlich steckt ein aufwendiges Projekt: das sogenannte Dachauer Gedächtnisbuch, eine offene Sammlung von Biografien ehemaliger KZ-Häftlinge, die von ehrenamtlichen Interessierten erstellt werden. "Das Besondere daran ist, dass wir nicht nur die Zeit der Haft in den Blick nehmen, sondern das ganze Leben dieser Menschen, sie also nicht nur als Opfer sehen", erklärte Schultz vom Trägerkreis des Gedächtnisbuches. Jedes Blatt sei sehr individuell - in Gestaltung, Sprache, Inhalt - und die internationale Sammlung dadurch ungemein vielfältig. "Wir wollen den Menschen, die durch die Nazis ihrer Persönlichkeit beraubt wurden, diese wieder zurückgeben." Das bedeute den Überlebenden und Angehörigen sehr, sehr viel. "Sie sollten einmal erleben, wie eine Frau zärtlich über das Porträt ihres Vaters streicht, oder wie sich eine Familie über verloren geglaubte, persönliche Gegenstände freut", so der Diakon.

Wichtig sei die Ausstellung auch deshalb, weil viele der eh nur noch wenigen Zeitzeugen zerrissen seien zwischen dem Drang, von ihren schrecklichen Erlebnissen zu berichten, und einer tiefgreifenden Wortlosigkeit. Insofern müssten die jüngeren Generationen eine Wiederholung der Geschichte zu verhindern wissen. "Wir sind nicht verantwortlich für das, was geschehen ist, aber dafür, was heute geschieht", sagte Schultz in Anlehnung an Max Mannheimer, Holocaust-Überlebender und Schirmherr der Ausstellung.

Konkret besteht diese aus 38 Bannern, die in den beiden Grafinger Kirchen, der Bücherei, der Hauptschule, im Gymnasium und im Museum ausgestellt sind. Jedes Banner ist einem Häftling gewidmet, zeigt private Fotos, nennt aussagekräftige Zitate und Stichpunkte zur Biografie. Eine ausführliche Schilderung findet man in der Ausstellungsbroschüre.

In der Auferstehungskirche, dem Zentrum der Schau, werden sechs Geistliche vorgestellt, die in Dachau inhaftiert waren - vom Rabbiner über katholische und evangelische Pfarrer bis hin zu einem griechisch-orthodoxen Bischof. Besonders ergreifend sind - vor dem Hintergrund der unsäglichen Erfahrungen im KZ - deren Aussagen zum Thema Religion. "Mein Glaube ist damals nur gewachsen, denn nie fühlte ich mich Gott näher als während meiner KZ-Haft", schreibt etwa Pfarrer Hermann Scheipers.

© SZ vom 09.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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