Interdisziplinäres Experiment:Dimensionen des Spontanen

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Es geschieht so manches aus dem Bauch heraus, wenn das Motto des Abends die Improvisation ist, für das Impro-Theater FKK gar kein Problem. (Foto: Christian Endt)

Das Impro-Theater "FKK" und die Band "Sonic Leap" ergänzen sich in der Theaterhalle zu einem spannenden Gesamtkunstwerk

Von Daniel Fritz, Markt Schwaben

Die Geburtsstunde dieses unterhaltsamen Abends war ein Klassentreffen. Zwei Ebersberger Schulfreunde, Caroline von Brünken und Michael Siegert, tauschten sich aus über ihr Tun, wie man das eben so macht bei einem Klassentreffen. Beide sind auf ihrem Gebiet professionelle Improvisateure, und so entstand die Idee, gemeinsam einen Abend zu gestalten. Die Jazzsängerin mit ihrer Band Sonic Leap, und der Schauspieler mit der Improvisationstheatergruppe FKK.

Sonic Leap eröffnen das durchmischte Doppel in dezenter Lautstärke und nach kurzer Begrüßung überlässt man die Bühne den Schauspielern von FKK, die dem Sitzpublikum mit interaktiven Aufwärmübungen klar machen, dass passives Konsumieren hier nicht angesagt ist. "Frei, komisch, kreativ" bedeutet die Abkürzung. Die Assoziation, die sich klassischerweise mit der Abkürzung aufdrängt, ist dabei gar nicht so falsch, denn die Schauspieler geben sich die Blöße: Ohne den Schutz eines geprobten Textes gehen sie auf die Bühne. Regieanweisungen gibt es höchstens mal spontan, um das Geschehen zu lenken, ihm eine Form zu geben. Das Publikum füllt das Konstrukt auf Zuruf; mit Objekten, Themen, Dialekten. Und dann zeigen die Impro-Jungs, was sie aus diesem Cocktail machen. Eingerahmt und untermalt wird das Ganze von Christian Kappl mit einem Klaviersoundtrack - Gefühlsmusik, wie man sie vom Film kennt. Es ergeben sich absurde Szenen wie "Dialog an der Bar mit wechselnden Stimmungen" - welcher mit kanisterweise getrunkenem Klarspüler endet - oder "Unterricht in Ausdruckstanz mit Dialektwechsel".

Das Format kann heikel sein: Wenn es läuft, entsteht durch die spontane Posse eine starke Dynamik; man rast im Sturzflug durch schräge Szenarien. Zuschauer und Akteure feiern die schnellen, witzigen und manchmal genialen Einfälle. Es besticht die Spritzigkeit des Unvorhersehbaren. Es besteht aber auch die Gefahr, dass es mal nicht funktioniert. Dann wird es leicht zu klamaukig oder schlicht unlustig. FKK präsentieren sich allerdings mit einer solchen Energie und Spielfreude, dass der Ball der kreativen Unterhaltung im Rollen bleibt. Eines der lustigsten Stegreifstücke des Abends ist eine Politikerrede: sehr authentisches Phrasengedresche von Sebastian Schlagenhaufer und synchron übersetzt in Gebärdensprache - reaktionsschnell und herrlich überzogen - von Ferdinand Maurer. Passend zum internationalen Frauentag sollte es um die "Frauenquote" gehen, vielleicht auch weil die Sängerin von Sonic Leap die einzige Dame auf der Bühne ist.

Sie und ihre Band geben dem Abend eine weitere Dimension, musikalisch spielt Sonic Leap die Hauptrolle. Hier entsteht Musik aus dem geglückten Konnex versierter Musiker. Während bei FKK sich manchmal skurrile Nummern entwickeln, kreiert von Brünken mithilfe der sehr dynamischen Band frische, gefühlvolle Klanggemälde bekannter Titel. Mit toller Textverständlichkeit wechselt sie federleicht zwischen verschiedenen Sounds, hat kleine Haucher, Cracks und immer wieder ein Lächeln in der Stimme. Sie scheint in jedem einzelnen Song zu versinken, in ihm aufzugehen. Mit guter Mikrofontechnik bewegt sich die Sängerin sparsam aber selbstsicher, sie genießt das vertraute Spiel mit der Band. Diese unterstützt und trägt sie, bekommt aber auch selbst genügend Raum. Man lässt sich Zeit bei Klavier- und Bass-Soli. Mit großen Spannungsbögen und einer faszinierenden Selbstverständlichkeit interpretieren Sonic Leap Songs wie das schwer zu covernde "Teardrop" von Massive Attack. Sting und seine ehemalige Band The Police haben einen Sonderplatz im Repertoire, gleich drei Songs sind im Set. "Fields of Gold" erklingt nach einem langen Pedalbass-Part verträumt mit vielen neuen Harmonien, "Roxanne" wird nebst schön verschobener Drumbeats vom Schlagzeuger Manni Müller selbst gesungen. Er spielt gerne mit Besen und gerade sein leises, perliges Spiel lässt viel Platz für die Anderen. Einzige Kritik: In lauten Passagen verdecken Becken und Snare manchmal Klavier und Gesang, vielleicht eine Frage der Mischung oder der Raumakustik. Zweimal spielt man gemeinsam mit FKK, eher ein alberner Jam, aber auch diese unprätentiösen Ausflüge kommen beim viel lachenden Publikum gut an.

"Little Anthem to Klara", einer verstorbenen Kollegin gewidmet, ist das Eindrucksvollste von Sonic Leaps eigenen Stücken. Von Brünkens Text verbindet sich mit der Komposition ihres Pianisten und Hauptarrangeurs Stephan Weiser zu einem spannenden Geflecht aus überraschenden Akkordfolgen und Melodiewendungen, ein wirklich besonderes Stück Musik! Yvo Fischer ergänzt die Band am Kontrabass mit vollem Sound. Er nutzt gerne den gesamten Tonumfang seines Instruments, zeigt sein schönes Lagenspiel bei "Blackbird" von den Beatles. Coldplays "The Scientist" ertönt mit leichtem, sommerlichen Groove irgendwo zwischen Country- und Latinfeeling, und die Solisten zeigen, dass sie auch aus nur zwei Akkorden genügend Inspiration ziehen.

Bei Musikern und Schauspielern liegt harte Übung der Kunst des scheinbar lockeren Improvisierens zugrunde. Ausdruck findet dieses Wagnis des Spontanen, das Erlebnis geglückter Symbiosen aber auch die Ungewissheit im Hinblick auf das nächste Wagnis im Text des Coldplay-Songs: "Nobody said it was easy - It's such a shame for us to part - Oh take me back to the start".

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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