Innovative Idee:Grafing als Brettspiel

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In einem Projektseminar am Gymnasium sollen Oberstufenschüler ein Unternehmen gründen und ihr eigenes Produkt auf den Markt bringen. In diesem Jahr verleihen sie einem Klassiker Lokalkolorit

Von Manuel Kronenberg, Grafing

Die teuerste Straße Grafings: Kein Schloss steht hier, kein von Bäumen umsäumter Weg führt zu einem prunkvollen Eingangstor. Vielmehr bestimmen graues Pflaster und parkende Autos die Szenerie - die exquisiteste Örtlichkeit der Stadt ist ein Supermarkt. Zumindest im Moment noch, daran könnte sich nämlich bald noch etwas ändern. Und auch nur, wenn man nach einem ganz bestimmten Plan geht.

Diesen Plan kramt die Schülerin Annika Schulz gerade aus ihrer Tasche. Es handelt sich nicht um einen Stadtplan. Es ist der Entwurf eines Brettspiels, welches Schulz zusammen mit ihren Mitschülerinnen und -schülern derzeit entwickelt. Schulz zeigt auf die farbige Zeichnung auf der dünnen Pappe. So könnte das Spielbrett später aussehen. Der Plan erinnert sofort an "Monopoly" und genau an diesem Klassiker orientiert sich das Spiel der Schüler auch. Allerdings soll es eine abgewandelte Version werden, nämlich ein Monopoly für Grafing, quasi ein "Gronopoly". Wo sonst die so begehrte Schlossallee und die dazugehörige Parkstraße liegen, befinden sich jetzt zwei Grafinger Supermärkte. Die Schüler haben alle Adressen auf dem Spielfeld in Kategorien und Farben eingeteilt - so wie auch bei Monopoly zugehörige Straßen eine gemeinsame Farbe haben. Da sind zum Beispiel Bäckereien, Sportgeschäfte, Geldinstitute. Unter der Kategorie "Gemeinsames" gibt es die Grafinger Tafel oder die Bücherei. Ob all diese Orte am Ende auch tatsächlich auf dem Spielfeld landen, ist noch nicht sicher. Denn die Planung ist noch lange nicht abgeschlossen.

Es ist Nachmittag, die Schulglocke des Grafinger Gymnasiums läutet. Lehrer Harald Kaupa begrüßt die etwa ein Dutzend Schüler des Projektseminars, in dem die Teilnehmer lernen sollen, wie man ein Produkt auf den Markt bringt. Und zwar nicht nur in der Theorie: Die Gymnasiasten haben sich selbst überlegt, was sie herstellen möchten und haben dann ein Unternehmen gegründet, um das Produkt - in dem Fall das Spiel - ins Leben zu rufen. Ganz offiziell handelt es sich bei ihrem Unternehmen um eine Aktiengesellschaft mit einer richtigen Firmenstruktur. Schulz und ihre Mitschülerin Maja Singer bilden den Vorstand. Daneben gibt es noch Abteilungen für Finanzen, Produktion, Marketing sowie Personal- und Presseabteilung. Die Aktionäre sind größtenteils Lehrer, Eltern oder Mitschüler. Sie haben 90 Anteilsscheine gekauft und lieferten damit das nötige Startkapital.

So ähnlich könnte das Spielbrett einmal aussehen, das die Schülerinnen und Schüler vom Berufsbildungswerk in Kirchseeon fertigen lassen wollen. Die Zeit für die Konzeption und Entwicklung ist knapp, schon zum Schuljahresende wird das Unternehmen wieder aufgelöst. (Foto: Christian Endt)

"Das war eine richtig gute Veranstaltung", sagt Kaupa zu den Anwesenden. Er spricht von der Hauptversammlung, die die jungen Unternehmer für ihre Aktionäre abgehalten haben. "Aber ihr habt eine wirklich irre Gewinnerwartung. Das hätte man noch ein bisschen besser zeigen können." Tatsächlich rechnen die Spieleentwickler mit einem großen Gewinn. Das Geld soll natürlich durch den Verkauf des fertigen Produkts in die Kassen fließen, wichtig sind für die jungen Unternehmer aber auch Sponsoren. Genau die sind in der heutigen Sitzung Thema, denn einige Sponsoren sind sie zwar schon an Bord, das Ziel von 15 Geldgebern haben die Schüler aber noch lange nicht erreicht. Mit dabei sind zum Beispiel schon die Allianz und der Spielmannszug. Als Gegenleistung erhalten alle Sponsoren ein Spielfeld auf dem Brett. So ist etwa der Proberaum des Spielmannszugs vertreten. Außerdem versuchen die Entwickler, die Ereigniskarten auf die Einrichtungen zu beziehen. "Da kann dann zum Beispiel stehen: Du hast den Spielmannszug für deinen Geburtstag engagiert. Zahle 200 Euro", erklärt Fabian Vernickel, der in der Firma für die Finanzen zuständig ist.

Jetzt diskutieren die angehenden Spieleverleger weiter, wen sie als nächstes anfragen wollen. "Wir müssen auf jeden Fall auch noch einen Spielwarenladen dabei haben", sagt Schulz. Und wer käme noch in Frage? Vielleicht eine Fahrschule oder ein Dönerladen? Bei den städtischen Einrichtungen können sie nicht fragen, stellt einer fest. Die Kläranlage zum Beispiel, die auf dem Brett an der Stelle des Wasserwerks aus Monopoly steht, falle als Sponsor also schon mal weg. "Wollen wir die Kläranlage eigentlich wirklich im Spiel haben?", fragt eine Schülerin da. "Ich fände das nicht so ansprechend." "Also ich würde die auf jeden Fall kaufen", erwidert einer ihrer Kollegen. Die Schüler lachen und reden durcheinander.

Annika Schulz und Maja Singer bilden den Vorstand des Unternehmens, ihre Mitschüler sind beispielsweise Experten für Finanzen, Personal oder Marketing. (Foto: Christian Endt)

Normalerweise mischt sich Kaupa nicht in die Diskussionen ein. Aber jetzt mahnt er zur Eile. "Die Firma muss spätestens zum 1. Juli wieder aufgelöst werden", sagt er in die Runde. Dann geht das Schuljahr nämlich bald zu Ende. So langsam sollte das Spiel also fertig werden, sagt Kaupa, damit es in die Produktion gehen könne. Die Unternehmer planen, sobald dann alle Sponsoren an Bord sind und feststeht, wie das Spielfeld aussehen wird, das Spiel mitsamt Brett und Figuren vom Berufsbildungswerk in Kirchseeon fertigen zu lassen. Eine ganz besondere Neuerung haben sie sich zudem einfallen lassen: Die Häuschen sollen nicht alle einheitlich sein und auf den jeweiligen Spielfeldern stehen, wie es beim gewöhnlichen Monopoly der Fall ist. Stattdessen ist geplant, die Mitte des Spielfelds zu nutzen und zusätzliche Felder einzubauen, die zu den jeweiligen Adressen gehören. Darauf können dann die Häuschen aufgestellt werden. So soll im Spielverlauf dann etwas entstehen, das tatsächlich ein wenig an eine Stadt erinnert.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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