In der Glonner Schrottgalerie:Aufstand der Poeten

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Bassist Jakob Greithanner aus Frauenneuharting über das "Sendlinger Revolutionsensemble"

Von Thorsten Rienth, Glonn

Am Freitagabend erzählt das Sendlinger Revolutionsensemble in der Glonner Schrottgalerie in teils längst vergessenen Liedern und Texten die Geschichte der Münchner Räterepublik neu, und zwar aus einer literarisch-musikalischen Perspektive. Die SZ sprach darüber mit einem der Mitglieder des Ensembles, Bassist Jakob Greithanner aus Frauenneuharting.

Herr Greithanner, ist die Revolution von 1919 in diesem Jahr nicht schon genügend durchgekaut worden?

Ja, aber noch nicht von jedem (lacht). Nein, im Ernst: Wir haben im April vergangenen Jahres mit den ersten Überlegungen zu diesem Programm angefangen. Unser Eindruck war, dass die Revolution von damals nicht sonderlich interessierte, dass sie geradezu stiefmütterlich behandelt wurde.

Zu Unrecht?

Ich finde schon. Viele ihrer Errungenschaften - Frauenwahlrecht, Acht-Stunden-Tag, Streikrecht sowie Trennung von Staat und Kirche etwa - sind doch für unser heutiges soziales Zusammenleben absolut zentral. Das ist zwar in der öffentlichen Debatte der vergangenen Monate durchaus klar geworden. Trotzdem hat es der bayerische Ministerpräsident beim offiziellen Festakt in München nicht geschafft, den Namen Kurt Eisner in den Mund zu nehmen. Dabei hat Eisner einst den Freistaat ausgerufen und war dessen erster Ministerpräsident!

Warum tun sich manche Konservative mit Eisner und der Revolution auch ein Jahrhundert später noch so schwer?

Weil die Errungenschaften der Revolution gegen den klaren Widerstand der damaligen Konservativen erreicht wurden. Weil Anführer der Freikorps, die die Revolution in München und vielen anderen bayerischen Städten und Dörfern brutal niedergeschlagen haben, später in konservativen oder monarchistischen Kreisen Karriere gemacht haben.

Und das setzten Sie jetzt mit dem Sendlinger Revolutionsensemble um?

Nein, wir müssen die politische Debatte nicht nochmal durchkauen. Es geht uns um eine künstlerisch-literarisch-musische Perspektive. Bei der Recherche ist uns dann ziemlich schnell aufgefallen, wie unglaublich viele Prosatexte, Gedichte und Tagebücher es aus dieser Zeit gibt. Das liegt übrigens an einer Besonderheit der Revolution in Bayern: Sie war sehr stark von Poeten getragen. Eisner selbst war als Dichter und Journalist tätig. Ernst Toller, der Vorsitzende des bayerischen Revolutionsrats, war Schriftsteller und Dramatiker und einer der bekanntesten literarischen Expressionisten der Weimarer Republik.

Und viele Straßen sind nach Oskar Maria Graf benannt...

Oskar Maria Graf hat zwar nicht mit zu den Organisatoren gehört. Aber er war als Beobachter mit dabei und hat ständig seine bissigen Bemerkungen dazu abgegeben. Wir wollen dieses atmosphärische Bild der Revolution nachzeichnen, nicht die historische Abläufe herunterbeten.

Und die Ensemble-Mitglieder haben sich wodurch gefunden?

In dieser Formation zusammengekommen sind wir über die Studio-Bühne der LMU. Da haben wir zusammen die Musik für eine Inszenierung gemacht. Ein paar von uns wird man im südlichen Landkreis Ebersberg gut kennen - Johanna Weiske, Dominik Frank und Thomas Schneider machen ja nicht erst seit ein paar Monaten kritisches Theater.

"Sendlinger Revolutionsensemble: Sich fügen heißt lügen. Revolutionäre Lieder", in der Glonner Schrottgalerie, am Freitag, 27. September: Beginn ist um 19.30 Uhr, Reservierungen sind nur per Mail möglich.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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