Im Anzinger Forsthof:Vogelgesang trifft Donnergrollen

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Beim Geburtstags-Hoagascht für Franz Pabst spielt sich die zeitlose Eleganz der Volksmusik ins Rampenlicht

Von Ulrich Pfaffenberger, Anzing

"Es-Dur", murmelt ein Gitarrist, der gerade zwei, drei Takte lang unauffällig der anderen Gruppe auf seinen Saiten gefolgt ist. "Na, spui halt mit", murmelt sein Gegenüber zurück, der Mann mit der Ziach. Was der so Aufgeforderte sich denn auch nicht entgehen lässt.

Solche Momente gehören zu einem "Hoagascht" wie das Bier auf dem Tisch und die Hirschhornknöpfe an der Trachtenweste. Das gemeinsame Musizieren folgt mehr der spontanen Eingebung als einem festgeschriebenen Programm, nur die Reihung der anwesenden Gruppen wird anfangs festgelegt; aber auch da können sich Verschiebungen ergeben, wenn zum Beispiel der Geburtstagler, zu dessen Ehren und Freude man sich versammelt hat, zwischendrin eine kleine Ansprache hält. Oder wenn von einem Duo arbeitsbedingt einer verhindert ist, und die andere sonst allein spielen müsste - da organisiert sich "die Musik" kurzerhand und formvollendet einfach ein bisschen um.

Für Franz Pabst, dessen Namen im Landkreis und darüber hinaus als Qualitätsmerkmal für Volksmusik steht, hat sich an diesem Abend im Anzinger Forsthof seinen größten Wunsch zum 70. Geburtstag erfüllt: "Einfach nur a guade Musi hör'n." An den Tischen in der Mitte des Gastraums haben sich die Kirchseeoner Zithermusi, die Kiramer Hausmusi, der Reithofener Zwoagsang, De Vadrahdn und noch ein halbes Dutzend weitere Volksmusiker wie Helmut Rosenmüller und Lutz Döring eingefunden, um diesen Wunsch zu erfüllen. Der Saal ist gänzlich voll besetzt mit Zuhörerinnen und Zuhörern, deren Murmeln, Plaudern, Geschirrklappern und Applaudieren sich zu jener charakteristischen Hintergrundsinfonie zusammenfügt, die charakteristisch ist für ein solches Konzert - und der Beleg dafür, dass die Volkstümlichkeit echt ist, nicht inszeniert.

Franz Pabst, hier zwischen Birgit Röttinger und Regina Straßgütl von "De Vadrahdn", erfüllt sich zu seinem 70. Geburtstag einen großen Wunsch: "a guade Musi", unter anderem von der "Kirchseeoner Zithermusi". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Man spürt und hört an einem solchen Abend mehrerlei, was das weitverbreitete Image der Volksmusik als altbacken und bieder mit Leichtigkeit aushebelt. Die Instrumente zum Beispiel. An so einer zweihalsigen Kontragitarre mit ihren bis zu elf zusätzlichen Saiten beweist sich die wahre Meisterschaft in Griffkunst und Fingerfertigkeit; gleich zwei davon erklingen im Lauf des Abends - und beide Male entwickeln sich Klangbilder und Spielformen, an denen sich mancher Rock- und Pop-Star die Gelenke verbiegen würde. Auch eine Okarina ist zu hören, jenes handsame Blasinstrument mit dem vogelähnlichen Gesang, der nichts Vergleichbares kennt und markantes Kennzeichen der alpenländischen Musik ist. So leichthin und unverkrampft kombinieren sich die Musikerinnen und Musiker zusammen, so vollkommen beherrschen sie ihre Standards - "des kemma auswendig, do brauch' ma koa Licht!" - dass mancher Jazzer den Hut zöge ob dieser Improvisationskunst und Eleganz.

Prägend, sowohl bei den gesungenen Stücken wie auch bei den als Intermezzi eingestreuten G'schichten, die der Feldmochinger Alfred "Fredi" Betz vorträgt, wirkt der unaufdringliche Charme der Mundart. Wo Hip-Hopper und Rapper mit der Sprache druckvoll, ja fast gewaltsam agieren, spiegelt sich in den sanft eingeschwungenen Vokalen und den melodischen Konsonanten des Bairischen jene Milde und Nachsicht auch noch mit dem größten Deppen und dem widrigsten Umstand, die der Volksmusik die Aggressivität nimmt. Scharfe Töne sind trotzdem drin, aber die bleiben den harten Saiten von Hackbrett und Zither überlassen oder den gelegentlichen G'stanzln und Couplets, bei denen aber weniger die Würde der Mitmenschen zum Ziel als vielmehr deren Offenheit fürs Leben-und-leben-lassen besungen wird. Auch das eine Kunstform, die sich nicht einfach ergibt, sondern beherrscht sein will.

Zum monatlichen Volksmusikantenstammtisch füllt sich die Gaststätte immer gut und das schon seit fast 20 Jahren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Freunde des klassischen Pianissimo und Prestissimo dürfen sich angesprochen fühlen, so wie Anhänger von Kanon und Fuge bei der feingliedrigen Ausgestaltung volksmusikalischer Polyphonie, ja des gelegentlichen Kontrapunkts auf ihre Kosten kommen. Nachweislich haben sich Komponisten wie Mozart, Brahms oder Dvorak volkstümlicher und volksmusikalischer Stilelemente gern bedient - die lebendige Gegenwart macht diese genetischen Wurzeln sichtbar und hörbar. Lutz Dörings schwungvoller Umgang mit dem Streichbass zeigt exemplarisch, dass das Donnergrollen mancher großen Sinfonie seinen Ursprung in der musikalischen Wiedergabe des Bergwetters hat. Oder welche Kraft wirkt, wenn es aus einer Pianosenke den Andantehügel hinauf und in die Con-Moto-Kurve hinein geht. Das Publikum, selbst gelegentlich zum Mitsingen eingeladen, geht mit Herz und Freude mit, bedenkt die Musikanten mit reichlich Applaus und schenkt einem überglücklichen Franz Pabst einen gelungenen Start ins nächste Lebensjahrzehnt.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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