Im Alten Kino in Ebersberg:Altingers ausgesuchte Allegorien

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Michael Altinger macht mit der Vorpremiere seines neuen Programms "Schlaglicht" in Ebersberg Lust auf mehr. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Vorpremiere seines neuen Programms "Schlaglicht" überzeugt der Kabarettist mit treffsicherem Sprachwitz

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Was sagt man zu einem dieser Dauerempörten, die in wachsendem Maß zur akustischen Umweltverschmutzung beitragen? "Wenn Deine Enkel mal gestorben sind, wird keiner mehr über dich reden. Nur ganz wenige überdauern in der Erinnerung der Generationen. Du gehörst nicht dazu." Allein schon diese klugen drei Sätze waren es wert, am Samstag die Vorpremiere von Michael Altingers neuem Programm besucht zu haben. Das "Schlaglicht", so der Titel, mit dem er ins Dunkel menschlicher Schwächen leuchtete, war aber nicht nur als Zündfunke fürs persönliche Dialogrepertoire erhellend. Die Prägnanz, mit der sich dieser Kabarettist inzwischen aus dem Kanon dessen emanzipiert, "wozu man aber unbedingt etwas sagen muss", hat inzwischen die Kraft einer Flutlichtanlage erreicht.

Was sich bei Altinger als roter Faden durchs Programm zieht, ist ein beeindruckend geschliffener Umgang mit den Feinheiten der deutschen Sprache. Es ist nur wenigen gegeben, Sätze so hinzudrechseln, dass sie nicht gekünstelt wirken und dennoch die Pointe erst in den letzten Worten enthüllen. Dazu gehört nicht nur das Beherrschen des starken Konjunktivs, derlei lebt vor allem davon, dass der Mann auf der Bühne das denkt, was er spricht. So kommt er auch ohne jene ätzende Schärfe aus, in die jene Comedians tappen, denen es an Witz mangelt. Stattdessen schlüpft er lässig und glaubwürdig in die vielen, mitunter gegensätzlichen Ausprägungen seines Ich, geduldig ertragen von seinem Sidekick, der Ein-Mann-Band Martin Julius Faber, der alles vorausahnt und geistreich mit Tönen versieht.

So kann er auch getrost darauf verzichten, mit naheliegenden Parodien oder Spielereien mit dem Tagesgeschehen um die Gunst des Publikums zu buhlen. Michael Altinger hat sorgfältig genug die Menschen seines - und unseres - Alltags studiert, um die tieferen Motive der Bierdimpfl von Strunzenöd ans Tageslicht zu befördern. Die sich auf einmal der hübschen Trainerin wegen fürs Yoga begeistern. Oder er beweist schlüssig, wie sehr es nach dem inflationären Koch- und Küchenkult in deutschen Land nun einer ausgleichenden Würdigung des Putzens bedarf - vor allem zur Beglückung sinnsuchender Starnbergerinnen, die sich nach einem Putz-Tutorial sehnen.

Die Allegorien, mit denen Altinger arbeitet, sind von ausgesuchter Originalität. In der Küche hieße es: vom Feinsten. Beispielhaft zu nennen ist da seine Idee, den Kartoffelsalat, um den sich die Gäste einer imaginären Grillparty scharen, zum heiligen Gral bayerischer Leitkultur zu erhöhen. Seinen Glaubensgrundsatz, dass nicht integrationsfähig sei, wer noch nach Jahren der Anwesenheit im Freistaat eine Fleischwurst in diese Trägersubstanz hiesiger Genusskultur hinein zu häckseln, darf man sich so lange auf der Zunge zergehen lassen, bis einen der Irrwitz zerreißt. Dass es für die Perfektion beim Zubereiten nunmehr einen PCSM geben soll, einen "Potato Cutting Salad Maker", den "Fleischwolf im Schafspelz" unter den Küchenmaschinen, ist brutal nah an der Realität der automatischen Lebens-Assistenten, von denen sich die Menschheit das mühsame Heft des Alltags aus der Hand nehmen lässt. Wie Altinger diese Beobachtungen und Erkenntnisse in etwas Eigenes übersetzt, spricht für seine große Klasse und trägt nachhaltig dazu bei, sein Publikum nicht nur zu erheitern, sondern es zu gewinnen.

Dabei bräuchte es das gar nicht extra. Die Beziehung zwischen Bühne und Sitzrängen ist bei Altinger eine sehr lebendige Angelegenheit. Gleich dreimal bekam er am Samstag eine Gelegenheit, sein Improvisationstalent unter Beweis zu stellen. Wie er nach dem Schwächeanfall eines Besuchers auf der Empore wieder in seinen Auftritt einstieg, war ebenso "Meisterschule für Kabarett" wie der Umgang mit einem vermuteten Handy, das sich als fiepsendes Hörgerät entpuppte. Als auch noch ein Gast in der ersten Reihe herzhaft und für alle hörbar gähnte, nahm's der Bühnenprofi als Anlass zur Selbstironie. Es sind Momente wie diese, in denen man sich vornimmt: "Wenn der wieder auftritt, bin ich dabei."

Auch wenn der unsichtbare Hellmut Lux, der Fackelträger des "Schlaglichts", zwar omnipräsent im Programm ist, bleibt sein wahres Ich zu unscharf, um die Rolle auszufüllen, die Altinger ihm zugedacht hat. Dieses Profil nachzuschärfen, dafür sollte nach der Vorpremiere noch Gelegenheit sein. Dann bekommen auch die im fliegenden Galopp zusammengewürfelten Schlussgedanken des Programms noch einen engeren Bezug zu ihrer Vorgeschichte. Dem Kabarettisten sollte das leichtfallen, bekennt er sich doch von ganzem Herzen zur Reparatur als Gegenpol der Wegwerfkultur. Dem beherzten Applaus im vollen Haus nach zu schließen, freut sich das Publikum schon darauf.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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