Historische Berufe:Die Kunst des Handwerks

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Vor gut 20 Jahren hat der Grafinger Förderverein die "Adventsmusik im Museum" ins Leben gerufen. Heuer kommen wieder viele Besucher - auch, um einer Brettchenweberin und einem Vergolder bei der Arbeit zuzusehen

Von Manuel Kronenberg, Grafing

Plötzlich weckt etwas die Aufmerksamkeit der Besucher, als diese durch die Räume des Grafinger Museums schlendern. Was macht denn die junge Frau da drüben? Vor ein paar Infotafeln zur Revolution in Bayern hat sie sich an einen Tisch gesetzt und an die Arbeit gemacht. Den aufmerksamen Blick auf einen Wust von aufgespannten Fäden gerichtet, bewegt sie mit präzisen Handgriffen die viereckigen Brettchen, die an den Fäden befestigt sind. Sie dreht sie von vorne nach hinten, schiebt sie auf und ab. So ändert Veronika Wunderer die Position der Fäden und damit auch die Farben, die sie weiter unten in einen Gürtel einwebt.

Veronika Wunderer führt vor, wie man mit der Technik des Brettchenwebens einen Gürtel anfertigt. Sie präsentiet ihr Handwerk bei der Veranstaltung "Adventsmusik im Museum" in Grafing. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Handvoll Leute hat sich um den Tisch versammelt. Die Besucher beobachten Wunderer bei der Arbeit, fragen sie, was sie denn da mache. Die 25-jährige Grafingerin klärt auf, Brettchenweben nenne man diese Technik, mit der sie verschiedene Dinge herstellen kann. Einige hat sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet: Gürtel, Schlüsselanhänger und Halsbänder mit verschiedenen Mustern - sogar einen Ponyhalfter hat Wunderer gewebt. Eine Dame greift nach einem Riemen, der auf dem Tisch liegt. "Ist das auch ein Gürtel?", fragt sie. "Für einen Gürtel ist das zu breit", antwortet Wunderer. Das sei ein Gitarrengurt. Die studierte Kommunikationsdesignerin und freiberufliche Illustratorin hat sich das Brettchenweben selbst beigebracht, weil sie mit Häkeln oder Stricken nichts anfangen konnte - zu langweilig sei ihr das gewesen, sagt sie. Den Webrahmen hat ihr Vater, ein Schreiner, für sie hergestellt. Auf diese Art zu weben sei eine sehr alte Technik, die kaum noch jemand kenne, erklärt Wunderer. Haben die Brettchen in dem Webrahmen eine bestimmte Stellung, ergibt sich auch ein ganz bestimmtes Muster. Bei so vielen Fäden und 38 Brettchen komme sie auch mal durcheinander, meint Wunderer. "Man muss sich ganz schön konzentrieren." Aber jetzt, da so viele Leute zu ihr kommen und mit ihr sprechen, ist die Ablenkung natürlich groß. Aber das störe nicht, sagt Wunderer. So kann sie zeigen, was ihre Arbeit ausmacht. Und wenn sie dabei noch ein paar Gürtel und Bänder unter die Leute bringe, hat es sich auch schon gelohnt.

Die Musik kommt von der Gruppe Würfelmusi sowie von den beiden Saitenmusikerinnen Juliande Gredmaier und Nicolette Landgraf. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Neben ihr sind an diesem Sonntag noch weitere Kunsthandwerker da. Eingeladen wurden sie vom Förderverein des Museums, der an diesem Nachmittag zum 23. Mal die "Adventsmusik im Museum" veranstaltet. Mit dabei ist die Strickerin Waltraud Guggenberger, der Vergolder Wolfgang Fleischmann und die Designerin Ute Steuer, die Glasschmuck fertigt. Gekommen ist auch die Wachsbossiererin Elisabeth Maierbacher. Mit dünnen Wachsschnüren bildet sie künstlerische Formen und rahmt damit etwa kleine Bilder ein. Sie alle sitzen verteilt in beiden Museumsgebäuden, gehen ihrem Handwerk nach und erklären neugierigen Zuschauern, was sie machen. Im vorderen Teil des Museums musizieren die beiden Musikerinnen Juliane Gredmaier und Nicolette Landgraf mit Violine und Gitarre. Im hinteren Gebäude spielt die "Würfelmusi", eine Gruppe aus bunt zusammengewürfelten Musikerinnen und Musikern, wie Leonhard Dierl vom Förderverein sie beschreibt. Zusammen mit Rotraut Acker hat Dierl den Nachmittag organisiert. Auch Rotraut Acker ist Mitglied des Fördervereins, er hat das Museum früher geleitet. Sie erzählt, dass sie es wichtig finde, neben der Musik auch das Handwerk zu zeigen. Seit einigen Jahren seien die Handwerker nun schon dabei, sagt Acker. "Damit wollen wir vor allem neues Publikum anziehen", Besucher, die sonst vielleicht nicht ins Museum kommen würden. "Wir wollen, dass Leben in der Bude ist", sagt Acker und deutet um sich, zu zeigen, dass das auch klappt. Tatsächlich tummeln sich viele Interessierte in den Museumsräumen. Auch der Museumsleiter Bernhard Schäfer freut sich darüber. Einige würden zufällig vorbeikommen, sagt er, was förderlich sei für die Bekanntheit des Museums. Karl Obermair, der von kommendem Jahr an den Vorsitz des Fördervereins übernehmen wird, findet, dass hier etwas Wertvolles aufgebaut worden sei. "Das Museum ist identitätsstiftend", sagt er. Nachmittage wie dieser könnten den Leuten dabei näher bringen, was Grafing ausmache.

Wolfgang Fleischmann zeigt, wie man Walnüsse vergoldet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einige Meter neben der Brettchenweberin Wunderer sitzt Wolfgang Fleischmann und zeigt den Besuchern, welchen Teil seine Arbeit zu dieser Identität beiträgt. Mit einem Pinsel aus Eichhörnchenhaar streicht sich der Kirchenmalermeister und Vergolder über die Wange. So nehmen die feinen Haare ein klein wenig Fett auf. Das ist nötig, damit das Blattgold an dem Pinsel haften bleibt. Anfassen könne man das Material aber nicht, sagt Fleischmann, während er einen kleinen Fetzen zwischen seine Finger nimmt. Sofort löst sich das Blattgold auf. Der Vergolder streicht das feine Material auf eine Walnuss, greift dann nach einem anderen Pinsel und drückt das Blattgold fest. Normalerweise nehme er Außenvergoldung vor, sagt Fleischmann. Er vergoldet Details an Kirchenfassaden, Kirchturmkreuzen, und Zeigern der Uhren. "Das ist ein Haufen Arbeit, die der Kunde gar nicht sieht", sagt er. Aber genau dafür ist er ja hier. Um zu zeigen, was für eine Arbeit eine gold glänzende Walnuss machen kann.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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