Herbstkonzert:Ausbruch an Gefühlen

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Unter der Leitung von Dirigent Andreas Pascal Heinzmann brilliert das Symphonieorchester. (Foto: Christian Endt)

Bei Mozarts Klavierkonzert und Beethovens Siebter zeigen sich die Souveränität und das hohe Niveau des Symphonieorchesters Zorneding-Baldham. Für Spielfreude und Energie erhalten die Musiker im Martinstadl tosenden Applaus

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 7 in voller Orchester-Besetzung und mit Leidenschaft konzertiert - da haben die Balken im Dachgestühl des Martinstadl geknackt, soviel Spielfreude und Energie versprühte das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham am Freitagabend bei seinem ersten Herbstkonzert der Saison. Das erleichterte, befreite Lebensgefühl eines Europas nach dem Ende der zerstörerischen Napoleonischen Kriege: Wie fern mag es uns Heutigen sein, die seit Jahrzehnten im Frieden leben - und wie nahbar, wie ergreifend persönlich wird es in der Begegnung mit solcher Musik, in der sich Hoffnung und Aufbruchstimmung Bahn brechen?

In der ein zuversichtlich stimmendes, dominierendes A-Dur die letzten Sorgen, Ängste, schmerzhaften Erfahrungen übertönt, die der Komponist im 2. Satz a-moll noch einmal anklingen lässt? In der sich jeder Streicher, jeder Bläser in der Rolle eines Zeitzeugen wiederfindet, dessen einzelne Stimme sehr wohl gehört wird, aber nicht solistisch, sondern im gemeinsamen Feiern des neuen Tags, der da ohne Bomben und Granaten anbricht und an dem Uniformen nicht mehr der Abschreckung von Feinden dienen, sondern als Modeerscheinung ins Glied zurücktreten?

Beethoven hat mit dieser Symphonie eine grandiose Erzählung über die Brücke geschrieben, die sich vom Krieg zurück in den Frieden spannt - und Dirigent Andreas Pascal Heinzmann erweist sich als ebenso respektabler wie geschickter Baumeister, um diese Brücke wahrnehmbar und begreifbar zu machen. Er rollt den Plan aus, setzt seine Bautrupps in Bewegung, führt zusammen, was zusammenwirken soll und ermutigt zu Effekten, wo Effekte gefragt sind. Es ist ein Vergnügen, dem Ergebnis zu lauschen, und ein fast noch größeres, darüber nachzudenken, wie er sein Orchester diesen Bau Schritt für Schritt hat erkennen und erschließen lassen.

Nicht nur hörbar, sondern fast mit Händen zu greifen und mit Augen zu sehen entwickelt sich der Bogen zwischen den Fundamenten, die Streicher und Bläser in ausgefeiltem Zusammenspiel genauso errichten wie in feinen Einzelleistungen. Raumgreifend erscheinen die diversen Soli der Instrumentengruppen, gerade im ersten Satz, wo Oboen, Fagotte, Klarinetten und die Cello-Bass-Gruppe lange nachhallende Akzente setzen. Klug widersteht Heinzmann der Versuchung, sein Orchester zu der kristallenen, fast stählernen Interpretation marschieren zu lassen, die die Komposition hergäbe. Diese "Soldaten" befinden sich im Übergang von der militärischen zur menschlichen Schrittfolge - umso berührender ihre Melodien, in stillen Momenten näher an einem Wiegenlied als an einer Symphonie. Was sich im zweiten Satz mit seiner außerordentlichen lyrischen Kraft fortsetzt, die zu modellieren und zu streicheln der Dirigent seinen Taktstock zur Seite legt und mit bloßer Hand arbeitet. Als hegte er Sorge, das alles könnte noch einmal zurückkehren in den Zustand von Auseinandersetzung und Zerstörung.

Wie sehr diese Interpretation dem Publikum unter die Haut geht, lassen einige in spontanem Beifall schon nach diesem 2. Satz erkennen, ein verständlicher Ausbruch an Gefühlen, der das Konzert in Zorneding mit der Uraufführung des Werkes verbindet, bei dem Gleiches geschah.

Den Boden dafür bereitet hatte der erste Teil des Konzerts. Zunächst mit der Ouvertüre zu Mozarts "Der Schauspieldirektor" zum Auftakt. Einem so lockeren, spaßigen Stück, dass ihm nicht einmal das höchst konzentrierte Orchester seine Leichtigkeit nehmen konnte - man spürte die Anspannung zur Premiere nach langer Probenarbeit, ein gutes Zeichen, wo doch ein solch gefestigtes, lange zusammenarbeitendes Ensemble sich auch in Routine verlieren könnte. Dann, vom Lampenfieber befreit, folgte ein farbenfrohes, belebtes Klavierkonzert A-Dur, ebenfalls von Mozart, an dem sich zeigt, was passiert, wenn sich statt Routine ein Fortschritt entwickelt.

Noch immer sind die Bläser das Schmuckstück des Orchesters, doch glänzen die Streicher inzwischen nicht minder, vor allem die tiefen Instrumente sind eine wahre Freude. Ihre Geschlossenheit und Fähigkeit zu sanfter Kraft verschafften dem leuchtenden Spiel der Solistin die verdiente Bühne. Wie die junge Amerikanerin Alyssa Filardo die Tiefen und Untiefen auslotete, der Melancholie mancher Melodien den Raum gab, den sie brauchen, und der lustvollen Lyrik anderer Passagen die Freiheit, die sie verdient, darin äußerte sich ein sinnliches Verständnis fürs Werk, aber auch eine überzeugende, eigene Handschrift. Zugleich war es eine, über die gemeinsame A-Dur-Tonart hinaus, gelungene Einstimmung auf den folgenden Beethoven. Eine durch und durch gelungene Premiere der Pianistin in Zorneding, wo sich - dem minutenlangen Applaus und den Bravo-Rufen nach zu schließen - das Publikum sehr auf die nächste Begegnung zu freuen scheint. Genauso wie der überaus herzliche und intensive Schlussbeifall fürs ganze Ensemble nachhaltig signalisierte, wie gut hier alle wissen, was sie an diesem Orchester und seinem Dirigenten haben.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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