Herausragende Studentin aus Vaterstetten:"Mathe ist überall"

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Große Vorbilder hat Johanna Schneeberger nicht: "Ich mach lieber mein eigenes Ding." (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Johanna Schneeberger ist Stipendiatin der Wittelsbacher Jubiläumsstiftung. Von Wettbewerben, Univorbereitung und einer selbstbewussten jungen Frau

Von Elisabeth Urban, Vaterstetten

Manche Menschen haben eine sogenannte Löffelliste aufgestellt, mit sämtlichen Dingen, die sie vor ihrem Tod - also bevor sie, salopp gesagt, den Löffel abgeben - noch gesehen oder erlebt haben wollen darauf. Johanna Schneeberger hat, wie sie erzählt, schon öfter überlegt, was bei ihr da wohl draufstehen könnte, es sei ihr bisher aber noch nicht viel eingefallen. Die 18-Jährige mit dem dunkelbraunen Pagenschnitt und den blauen Augen wirkt ausgeglichen, sie sei ein zufriedener Mensch, nicht allzu abenteuerlustig, aber eben auch nicht schüchtern. Wenn es was zu sagen gibt, dann tut sie das.

Schneeberger mag brav wirken, jede Antwort ist gut überlegt, doch die 18-Jährige ist selbstbewusst, sie weiß, was sie kann und was sie nicht kann. Was die Vaterstettenerin kann: Mit ihrem mathematischen Verständnis und ihrer Begabung für naturwissenschaftliche Themen zahlreiche Wettbewerbe gewinnen, mit umfassenden herausragenden Leistungen ein Abitur mit einem Notenschnitt von 1,0 schreiben und schließlich eines von neun Stipendien in der Wittelsbacher Stiftung ergattern.

"Forschung fasziniert mich schon von klein auf", sagt Schneeberger. Sie habe den Eltern immer und immer wieder Fragen gestellt, wollte wissen, wie Dinge funktionieren. Schon im Kindergarten bringt sie sich beispielsweise das Lesen der Uhr selbst bei. Vielleicht sei sie auch ein wenig vorbelastet, sagt ihre Mutter lächelnd, schließlich haben beide Elternteile Mathematik und Informatik studiert, die Kombination, die jetzt auch ihre Tochter gewählt hat. Man habe aber bewusst nie versucht, irgendeine Richtung vorzugeben.

"Mathe ist überall!" Johanna Schneeberger, die sich auch sehr für Biologie interessiert, überlegt deshalb, sich irgendwann auf Biomathematik zu spezialisieren, vielleicht geht es aber auch Richtung künstliche Intelligenz - Mathematik als Studienfach hat sie gewählt, weil sie sich damit viele Richtungen offenhält.

Ab der vierten Klasse nimmt sie an den ersten Mathewettbewerben teil, es folgen bundesweite Wettbewerbserfolge in Informatik und Mathematik. In einem Projekt für Schüler programmiert sie mit anderen einen sogenannten CanSat, einen winzigen Satelliten, ist vor allem für die Bildauswertung der kleinen Kameras zuständig, die die Umgebung während der Landung aufnehmen. Die Wettbewerbe hätten ihr immer wieder Anregung für neue Programmieransätze gegeben, auf die sie ohne die konkreten Aufgabenstellungen selbst nicht gekommen wäre, sagt sie.

Auch in ihrer Freizeit programmiert Schneeberger, sie liest außerdem gerne, zuletzt die Biografie Michelle Obamas. Ein konkretes Vorbild habe sie aber noch nie gehabt, "da mach ich lieber mein eigenes Ding".

Mit ihren guten Abiturleistungen qualifiziert sich die Vaterstettenerin dann für die Aufnahmeprüfungen des Max-Weber-Programms, einem Stipendium des Freistaates für besonders begabte Schüler, und für die Prüfung der Wittelsbacher Jubiläumsstiftung, die das Pendant für Studentinnen zur rein männlich besetzten Stiftung Maximilianeum darstellt. Sie habe nicht damit gerechnet, aufgenommen zu werden, doch bei den Prüfungen, die weniger auswendig gelernten Stoff abfragten und mehr offene Fragen stellten, die nur mit breitem Wissen und Transferfähigkeiten beantwortet werden konnten, überzeugte sie. Bis die Auswertung ins Haus flatterte dauerte es, dann war sie "erst mal erstaunt".

Nach der ersten Freude gingen die Vorbereitungen fürs Studium weiter, die im Hause Schneeberger wesentlich aufwendiger ausfallen, denn was Johanna Schneeberger nicht kann: all das, was jetzt auf die 18-Jährige zukommt, körperlich alleine bewältigen. Sie hat eine Form der spinalen Muskelatrophie, ihre Muskelkraft nimmt also Stück für Stück ab. Schneeberger sitzt im Rollstuhl, scheinbar selbstverständliche Dinge wie An- und Ausziehen der Jacke sind selbst mit Hilfe unglaublich anstrengend. Vielleicht hat ihr das Knobeln für die Wettbewerbe deswegen so viel Spaß gemacht, "wenn ich mich beschäftigen will, muss es halt auch was mit dem Kopf sein". Stoffmäßig sei die Schulzeit nie wirklich anstrengend für sie gewesen, sie konnte eigentlich allen Fächern etwas abgewinnen. "Die Schule hat alles getan, was sie konnte", aber trotzdem und auch mit Assistenz waren lange Schultage eben körperlich belastend.

Auch für die Uni hat sie nun eine Studienbegleitung, zeitintensiv hat die Familie organisiert, Anträge gestellt, Bewerbungsgespräche geführt. Würde Schneeberger tatsächlich das Wohnangebot nutzen, das das Maximilianeum seinen Stipendiaten bietet, bräuchte sie eine 24-Stunden-Assistenz. Und auch wenn die Stiftung signalisiert hat, dass im Wohngebäude alle nötigen Umbauten durchgeführt würden, falls Schneeberger einziehen wollte, bleibt sie zunächst dennoch zu Hause - der Studienstart an sich ist schon aufregend und anstrengend genug.

Ausschließen möchte sie einen späteren Einzug aber nicht, schon jetzt freut sie sich am meisten auf den Austausch mit ihren Kommilitonen und Mitstipendiaten nach dem Semesterstart - und wer weiß zu welchen neuen Lösungsansätzen sie durch die Aufgaben im Studium findet.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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