Der etwas andere Bioladen:Erstes Hanf-Geschäft im Landkreis Ebersberg eröffnet

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Wenzel Václav Cerveny und Ehefrau Silke in ihrem Laden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im "Hanf" in Baldham wird Cannabis in ungewöhnlichen Variationen verkauft. Das Konzept kommt in Bayern gut an - die Inhaber expandieren heuer zum dritten Mal.

Von Jonas Wengert, Baldham

"Kolumbus hätte mit Segeln und Seilen aus Baumwolle Amerika niemals entdeckt", beteuert Wenzel Václav Cerveny. Diese hätten den widrigen Bedingungen aus Wasser und Salz nicht Stand gehalten, sondern wären schnell kaputt gegangen. Vielmehr habe der berühmte italienische Abenteurer seine Atlantiküberquerung der Wunderpflanze Cannabis zu verdanken aus deren robusten Fasern die Schiffsausrüstung bestand.

Cerveny schwärmt von seinem Lieblingsnaturprodukt. Er steht in seinem neuen Geschäft "Hanf - der etwas andere Bioladen", welches jetzt in Baldham eröffnet hat. Mit seiner Begeisterung für das Gewächs ist der 57-Jährige offenbar nicht allein. Nachdem er 2017 seinen ersten Laden in München eröffnete, ist die Filiale in der Baldhamer Poststraße nach Rosenheim und Augsburg bereits die dritte Expansion in diesem Jahr.

Das Besondere an der Zweigstelle in der Gemeinde Vaterstetten sei der Schwerpunkt auf Textilprodukte. "Wir hatten bisher auch schon vereinzelt Kleidung im Angebot", sagt Silke Cerveny, Geschäftsführerin in Baldham. Der neue Laden sei jedoch der erste mit einer großen und ständigen Auswahl. Von Freizeitkleidung über Hemden und Hosen bis hin zu Jacken, Hausschuhen und Taschen gibt es für Damen wie Herren mit Konfektionsgrößen von S bis XXL alles was das Modeherz begehrt.

Auch im Angebot: Müslis und Öle. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Auch Babys können bei "Hanf" ausstaffiert werden. Sollte ein Artikel nicht in der gewünschten Farbe oder passenden Größe vorrätig sein, sei auch erstmals ein schnelle und zuverlässige Bestellung möglich.

Heide Auer ist mit Mann und Pudel extra aus Lengdorf im Nachbarlandkreis Erding zur Ladeneröffnung nach Baldham angereist. Sie beschäftigt sich schon länger mit Hanfprodukten und hat auch das Geschäft in Rosenheim schon einmal besucht.

Nun wolle sie "schauen, was es noch so gibt". Besonders Kleidung interessiert Auer, sie besitze bereits ein T-Shirt aus Hanf, erzählt sie. "Der Stoff ist widerstandsfähig und man hat trotzdem ein wunderbares Tragegefühl." Ihr gefällt außerdem, dass beim Anbau der Pflanzen für Cervenys Produkte keine Pestizide oder Düngemittel verwendet werden.

Einzig "etwas teuer ist es halt". Dennoch, eine Jacke für die anstehende kalte Jahreszeit soll es heute werden. Auer geht durch den Laden und lässt ihren Blick über die Produktpalette schweifen. Einiges kennt sie aus dem eigenem Gebrauch, Hanföl für Salatdressings oder Hundefutter aus Cannabis fürs Haustier.

Insgesamt umfasst das Sortiment im "etwas anderen Bioladen" rund 400 Artikel. Neben Kleidung sind vor allem Lebensmittel und Drogerieartikel wichtige Säulen in Cervenys Geschäft. Morgens eine Tasse Filterkaffee mit Hanfsamen oder doch lieber eine Schüssel Bio-Hanf-Naturmüsli? Pasta, zubereitet mit Cannabismehl, dazu Steinpilz-Hanf-Pesto als warme Mahlzeit oder zum Feierabend ein Hanfblütenbier.

Hanfkäse und Hanftofu gibt es auch zu kaufen... (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Vieles ist möglich. Wem all das schon in der Vorstellung zu Kopf steigt, sei unbesorgt. Zwar enthält die Cannabispflanze den rauscherzeugenden Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Laut EU-Regeln ist der THC-Gehalt bei Saatgut für Nutzhanfpflanzen aber auf 0,2 Prozent beschränkt.

Bei der Überwachung von Lebensmitteln gelten laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) noch einmal deutlich niedrigere Richtwerte von maximal 0,0005 Prozent. Deren Einhaltung wird von den Behörden streng kontrolliert. "Wäre irgendeines unserer Produkte berauschend, hätten wir hier schon lange die Polizei im Laden stehen", scherzt Wenzel Cerveny.

Die Pflanze mit den charakteristischen fächerartigen Blättern verfügt über einen anderen Inhaltsstoff, den Cerveny fasziniert, Cannabidiol (CBD) nämlich. Bei Verkrampfungen oder Gelenkschmerzen hätten seine CBD-Öle entspannende und entzündungshemmende Wirkung, außerdem stärken sie das Immunsystem.

....und schwerpunktmäßig Kleidung aus Hanf. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Der Legalisierungsaktivist und Vorsitzender des Cannabis-Verbandes Bayern setzt sich auch für die verstärkte Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken ein. Aktuell forscht beispielsweise die Universitätsklinik Rostock zur Wirkung von Hanfinhaltsstoffen auf Krebszellen. Im Baldhamer Laden in der ehemaligen Post-Apotheke möchte Cerveny auch die Möglichkeit zum Austausch sowie Beratungsstunden zu diesem Thema anbieten.

Seine Frau verfolgt erst einmal andere Pläne. Sie hat auch unverarbeitete Hanfstoffe im Sortiment und sucht nach lokalen Schneiderinnen. "Mein Traum ist eine eigene Kollektion an Babykleidung", erzählt sie strahlend. Aber auch Änderungsarbeiten könnten durch solche eine Kooperation unkompliziert erledigt werden.

Heide Auer hat an diesem Tag im "Hanf" keine Winterjacke gefunden. Es sei ja aber auch alles noch sehr neu hier und die Auswahl ändere sich häufig. "Ich komme auf jeden Fall bald mal wieder vorbei", verkündet sie lächelnd.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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