Häusliche Gewalt:Kein Platz im Frauenhaus

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Der Kreis Ebersberg finanziert die Erdinger Einrichtung mit. Doch die Kapazitäten sind zu gering - in diesem Jahr gab es für Hilfesuchende aus Ebersberg nur Absagen

Von Manuel Kronenberg, Ebersberg

Wenn der Partner gewalttätig wird, erhoffen viele Frauen Hilfe beim Frauennotruf oder in einem Frauenhaus. Doch die Kapazitäten reichen längst nicht aus. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Wenn sich Frauen an Angela Rupp wenden, fühlen sie sich meist nicht mehr sicher im eigenen Heim. Im Sommer etwa sei eine Frau gekommen, die immer wieder von ihrem Mann geschlagen worden sei, erzählt Rupp vom Frauennotruf Ebersberg. Deswegen habe sich diese Frau aber schon vor einer ganzen Weile von ihrem Mann getrennt. "Irgendwann ist er gewaltsam in ihre Wohnung eingedrungen, hat die Familie bedroht und die Frau an den Haaren gezogen", schildert Rupp. Völlig aufgelöst sei die Frau zum Notruf gekommen. "Sie hat gesagt, sie gehe auf keinen Fall wieder nach Hause", berichtet Rupp. "Das Türschloss war kaputt, und sie fühlte sich nicht sicher." Deshalb habe man sie in der kleinen Notwohnung des Frauennotrufs untergebracht und ihr geholfen, Sicherheit zurückzugewinnen, bis das Schloss wieder repariert war.

Gewalt in bestehenden und ehemaligen Partnerschaften ist ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Dabei spielt nicht nur physische Gewalt wie Mord, Totschlag und Körperverletzung eine Rolle, sondern auch etwa Freiheitsberaubung, sexuelles Vergehen, ökonomische Gewalt und psychische Gewalt wie Bedrohung oder Stalking. In manchen Fällen ist die Gefahr für Betroffene so groß, dass sie nicht in die eigene Wohnung zurückgehen können. Dann versuchen die Beraterinnen vom Notruf, sie in ein Frauenhaus zu vermitteln.

In Erding gibt es sogar eine Warteliste

Doch Rupp berichtet, dass sie und ihre Kolleginnen damit oft Schwierigkeiten haben. "Die Platzkapazität im Frauenhaus in Erding reicht nicht aus. In diesem Jahr wurden alle unsere Anfragen negativ beantwortet", erzählt Rupp. Im Kreis Ebersberg selbst gibt es kein Frauenhaus, der Landkreis finanziert die Erdinger Einrichtung mit. Dass das Erdinger Haus voll belegt ist, bestätigt Danuta Pfanzelt vom BRK-Kreisverband Erding, der in diesem Jahr die Trägerschaft des Hauses übernommen hat. "Es gibt im Moment sogar eine Warteliste", so Pfanzelt. Fünf Frauen und bis zu sieben Kinder hätten Platz.

"Ich weiß manchmal nicht, wohin wir die Ebersberger Frauen vermitteln sollen, weil die umliegenden Häuser immer absagen", sagt Rupp. Manchmal gebe es noch Plätze in den Häusern des Landkreises und der Stadt München. "Wenn wir nicht gleich was finden, versuchen wir, die Frauen bei uns anzubinden." Das heißt, es gebe eine enge und langfristige Beratung und Unterstützung für die Betroffenen. "Es gibt auch die Möglichkeit, sie kurzzeitig in unserer Notwohnung unterzubringen. Aber die ist klein, und es gibt wenig Betreuung, weil wir kein Frauenhaus sind."

Laut Kriminalstatistiken der Poinger und Ebersberger Polizeiinspektionen gab es im vergangenen Jahr 128 Opfer häuslicher Gewalt im Landkreis. Davon waren 107 weiblich und 21 männlich. Im Jahr 2016 waren es noch 145, davon 113 Frauen und 32 Männer. "Die Zahlen sagen aber nicht aus, wie oft jemand zum Opfer geworden ist", erklärt Gerhard Freudenthaler von der Ebersberger Polizei. Eine Person, die etwa eine einzelne Körperverletzung erleidet, gehe genau gleich in die Statistik ein wie eine Person, die mehrmals zum Opfer wird. Für das aktuelle Jahr liegen noch keine genauen Zahlen vor.

Oft leiden Frauen lange, bevor sie Hilfe suchen

Man könne höchstens einen Trend ausmachen, sagt Freudenthaler. Dieser Trend ist allerdings nicht eindeutig: Während laut Freudenthaler im südlichen Teil des Landkreises, also im Dienstgebiet der Ebersberger Polizei, ein Rückgang der Opferzahlen zu verzeichnen ist, deutet der Trend im nördlichen Teil des Landkreises darauf hin, dass die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr wieder ansteigen, wie Manfred Winter von der Poinger Polizei berichtet. Erfasst werden Opfer in der Kriminalitätsstatistik der Polizei nur, wenn Anzeige erstattet wird. Manche Betroffene wollen dies aber nicht, sondern wenden sich nur an die Polizei, um beraten zu werden, sagt Freudenthaler. In solchen Fällen werde auch versucht, an den Frauennotruf zu vermitteln.

Ein Großteil der Anrufe, die dort eingehen, beziehen sich zunächst auf physische Gewalt. Das bedeutet aber nicht, dass andere Formen der Unterdrückung unerheblich sind für die Frauen, die sich beim Notruf melden. "Wenn wir länger mit ihnen sprechen, kommt im Laufe der Gespräche meistens raus, dass sie auch unter sexueller und psychischer Gewalt leiden", sagt Birgit Dimotsios, eine Kollegin Rupps. Meistens fange die Gewalt also schon an, bevor physische Vergehen stattfinden - in Form von Beleidigungen, Bedrohungen, Arbeitsverboten oder dem Verbot, Familie und Freunde zu sehen. "Das ist meistens der Beginn. Viele sehen das aber noch nicht als Gewalt an und melden sich erst, wenn physische Gewalt dazukommt."

Die Zahl der Betroffenen, die in diesem Jahr beim Notruf Hilfe suchten, ist im Vergleich zum Jahr 2017 deutlich angestiegen. Im vergangenen Jahr seien es etwa 150 Personen gewesen, sagt Rupp, im laufenden Jahr bereits 200. Seit im Juni beim Frauennotruf eine zusätzliche Stelle im Umfang von 30 Stunden geschaffen wurde, könne das Büro länger geöffnet sein und mehr Präsenz gezeigt werden, sagt Rupp. Neben langfristiger Beratung und Hilfe in akuten Notfällen hält der Notruf auch Vorträge ab oder stellt Angebote an Kindergärten und Schulen zur Gewaltprävention zur Verfügung. Die erhöhte Präsenz habe sicher dazu geführt, dass das Angebot des Notrufs öfter genutzt wird, schätzt Rupp. "Aber es kann natürlich auch sein, dass es mehr Frauen gibt, die betroffen sind. Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beidem."

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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