Haar:Rückenwind für das Nordlicht

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Leiter Matthias Riedel kann am Kleinen Theater auf die Unterstützung eines Freundeskreises bauen

Von BERNHARD LOHR, Haar

An einem regnerischen Mittwochabend bietet sich der kurze Weg nach Hause an: Schnell auf die Couch, und dann den Arbeitstag ausklingen lassen. Doch in Haar zieht es viele an diesem trüben Tag ganz woanders hin. Immer wieder huscht noch jemand rein ins Kleine Theater, klappt den Schirm zusammen und klopft die Füße ab. Im Café spielt Titus Waldenfels an der Gitarre. Er hat zum "Feierabend im Theater" seine kleine Band dabei. Silvia-Maria Jung singt Swing, Country und "Bayerische Breziosen": freche Lieder, dazu ein Drink und Fingerfood in entspannter Atmosphäre. Etwa 50 Freunde der Kleinkunst bevölkern die Tische.

Das Kleine Theater macht sich unter seinem neuen Leiter Matthias Riedel, der mit frischen Programmideen und seiner lockeren norddeutschen Art die Menschen für sich und sein Projekt einzunehmen versteht. An diesem Abend sieht er schon, dass es läuft. "Das Café wird heute wieder voll sein", sagt er, "die Leute werden sich ein Stück wie zu Hause fühlen." Das Kleine Theater gewinnt gerade mit seinen Mittwochveranstaltungen fleißig an Freunden hinzu. Und die, die dem Haus schon lange die Treue halten, ziehen zufrieden Bilanz.

In den vergangenen Jahren bildete sich ein Freundeskreis heraus, der die Einrichtung auf dem ehemaligen Gelände des Isar-Amper-Klinikums begleitet. Seit sich die Klinik zurückzieht aus dem Areal, muss die Kultureinrichtung unter dem Dach des Sozialpsychiatrischen Zentrums des Bezirks (SPZ) lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Als sich Anfang 2016 der Freundeskreis als Verein konstituierte, herrschte noch die Sorge, dies könnte schiefgehen.

Mittlerweile ist diese reger Geschäftigkeit gewichen. Riedel sitzt gut gelaunt mit dem Vorsitzenden des Freundeskreises, Horst Aßmann, dessen Stellvertreterin Ulrike Holtappel und Vorstandsmitglied Gudrun Tomlinson im ersten Stock des Theaters und erzählt von Neuerungen, die er eingeführt hat, von dem sozialen Auftrag des Kleinen Theaters und der vorsichtigen Öffnung zur Populärkultur, für die die Auftritte des Chiemgauer Volkstheaters exemplarisch stehen.

Mancher im Freundeskreis sah den neuen Kurs anfangs skeptisch, Aßmann macht daraus kein Geheimnis. Doch er hat gesehen, wie professionell die Leute vom Bauerntheater arbeiten. Er hat amüsante Aufführungen erlebt und vor allem Vertrauen gewonnen, dass Riedel als Theaterchef nicht seinen Anspruch aus den Augen verliert, nur um Publikum anzulocken. Als kürzlich Bierbänke aufgestellt werden mussten, weil erstmals im Theatersaal ein Starkbierfest stattfand, halfen die Freunde des Theaters stundenlang mit. Aber sie sind auch präsent, wenn umgebaut werden muss, weil jemand die Räume für eine Hochzeit angemietet hat. Aßmann lobt den im August 2015 installierten Theaterchef: "Matthias Riedel hat wirklich das Ruder herumgeworfen." Der Freundeskreis habe sich zur Aufgabe gemacht, diesen mit "bürgerschaftlichem Engagement" zu unterstützen.

Als Aßmann das erste Mal ins Kleine Theater ging, war das noch ein Geheimtipp. Er wohnte in Ottendichl und hatte nahe dem Haarer Bahnhof seinen Arbeitsplatz. Er musste also irgendwann reinstolpern in das an der Leibstraße gelegene Theater. Er lernte das Kleinkunst-Programm kennen und schätzen, doch als das unter Riedels Vorgängerin zurückgefahren wurde, wurde ihm das Theater fremd. Heute gibt es Hochzeiten, Bauerntheater und Konzerte - zugleich lebt aber die Kleinkunst wieder auf. Der Blick in das neue Programm mit Auftritten von Sandra Kreisler, Roger Stein ("Wortfront"), Frederic Hormuth und Christian Ude zeigt das. Aßmann sagt, der Verein wolle jetzt mit anpacken, und ideelle und finanzielle Hilfe leisten. Besonders liege ihm daran, das Kleine Theater im Ort "sichtbar zu machen".

Aßmann und auch Ulrike Holtappel halten das Kleine Theater für ein bisher zu wenig beachtetes Kleinod und wollen es nicht dem Zufall überlassen, ob es von kulturell Interessierten entdeckt wird. Sie begrüßen, dass jetzt mit Transparenten und Wegweisern offensiver auf das Haus hingewiesen wird. Holtappel macht ihre Begeisterung für das Theater am Gebäude fest: Es sei "einfach dieses Haus" im Jugendstil, sagt sie. Vor 25 Jahren habe sie das "Original" als Neubürgerin in Haar entdeckt. Sie genießt, dass sich dort jetzt wieder mehr rührt. "Ich bin im letzten Jahr so oft dagewesen wie in den 24 Jahren vorher." Früher habe es mehr mentale Barrieren gegeben, weil viele das Theater als Teil der Klinik gesehen hätten, sagt Holtappel und spricht von "Berührungsängsten".

Um die 70 Mitglieder zählt der gemeinnützige Freundeskreis-Verein, ohne Berücksichtigung von Familienangehörigen. Eben erst hat man Riedel gut 4000 Euro übergeben, mit denen Projekte im Bereich der Inklusion und für Kinder unterstützt wurden. Geld floss etwa in ein Konzert rund um Geschichten psychisch erkrankter Musiker und in eine Aufführung mit dem Theater Apropos, bei der sich psychisch Erkrankte und in der Psychiatrie professionell Tätige ohne therapeutischen Anspruch begegnen konnten.

Auch wirbt der Freundeskreis, den es übrigens parallel zum Verein auch noch in loser Form gibt, mit Infoständen für das Theater und übernimmt auch mal Arbeitskosten, wenn Reparaturen anstehen. Zudem organisieren die Mitglieder selbst Veranstaltungen, Roland Karasek etwa hat ein Weißwurstfrühstück eingeführt. Bei den Mittwochs-Veranstaltungen stehen die Freunde hinter der Theke und bedienen. Wie sagt das bekennende Nordlicht Riedel? "Es segelt sich leichter, wenn man Rückenwind hat."

Der Freundeskreis Kleines Theater steht neuen Mitgliedern offen, Einzelpersonen zahlen 20 Euro im Jahr, Familien 40. Beim Ticketkauf im Theaterbüro erhalten Mitglieder zehn Prozent Ermäßigung.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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