Grafinger Stadtrat:Wem die Stunde schlägt

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Um Sitzungen bis spät in die Nacht künftig zu verhindern, will der Grafinger Stadtrat seine Geschäftsordnung überarbeiten. Unnötige Doppelberatungen sollen bald der Vergangenheit angehören

Von Thorsten Rienth, Grafing

Wenn es im Grafinger Stadtrat mal wieder ein bisschen länger brauchte, pflegte der frühere SPD-Stadtrat Olaf Rautenberg frei nach Karl Valentin festzustellen: "Es ist zwar alles gesagt, aber noch nicht von mir." Bisweilen verweist auch heute noch einer seiner Nachfolger auf den Satz, dabei hatte sich Rautenberg doch schon vor sechs Jahren aus der vorderen lokalpolitischen Linie zurückgezogen. Kein Wunder, denn die Problematik mit sich in die Länge ziehenden Stadtratssitzungen ist weiterhin so aktuell wie zu Rautenbergs Zeiten. Jetzt wollen einige Grafinger Fraktionen die Geschäftsordnung ändern.

Die Februar-Sitzung des Stadtrats, das lässt sich wohl so feststellen, war eine Art Durchschnittssitzung. Die Tagesordnung des öffentlichen Teils war nicht besonders umfangreich, aber auch nicht auffallend kurz mit ihren 15 Punkten. Manche davon gingen recht schnell, etwa die Genehmigungen fertiggestellter Protokolle oder einige Bekanntgaben.

Bei anderen gab es wiederum reichlich Diskussionsbedarf. Bei der Umwandlung von Kindergarten- in eine Krippengruppen zum Beispiel, der Aufstellung einiger Bebauungspläne, der Wieshamer Entwicklungsplanung, der zu ändernden Wasserabgabesatzung oder der Frage, ob die Stadt ein kommunales Förderprogramm für Lastenräder aufsetzen möge, um eine Alternative zum innerstädtischen Autoverkehr zu schaffen. Als all das beraten war, schlug die Glocke draußen zehnmal, 22 Uhr. Dann begann der nichtöffentliche Teil. So manchem Stadtrat seien beinahe die Augen zugefallen, war danach zu hören.

"Wir sind dabei, die Geschäftsordnung der Stadt Grafing anzupassen, um die leidigen Doppelbehandlungen in den vorberatenden Ausschüssen und darauffolgenden Ratssitzungen auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen", erklärte CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg gegenüber der SZ.

Hintergrund ist, dass zahlreiche Stadtratsentscheidungen in den eine oder zwei Wochen vorher stattfindenden Fachgremien vorberaten werden. Etwa im Bau- oder Kulturausschuss. Das dortige Votum muss der Stadtrat jedoch noch formal billigen. Nicht selten entspinnen sich dabei im Stadtrat erneut umfassende Diskussionen. Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte rutschen auf den späteren Abend. Womöglich entscheidet dann ein übermüdetes Gremium kurz vor Mitternacht über Bauleistungen für die neue Kindertagesstätte.

Darüber, dass eine solche Ineffektivität nicht im Sinne der Stadt respektive der zu treffenden Entscheidungen sei, herrscht im Stadtrat fraktionsübergreifende Einigkeit. Doch das Thema ist heikel. Niemand zweifelt daran, dass gerade auch bei komplizierten Sachverhalten längere Debatten nicht nur notwendig sind, sondern durchaus befruchtend sein können.

Aber wo verläuft die Grenze zwischen verzichtbarer Doppelberatung und unverzichtbarer Diskussion? "Das sind nicht ganz einfach zu formulierende Sachverhalte beziehungsweise sollte wohl durchdacht sein", sagte Graf Rechberg.

Der erste Austausch darüber, was sich die Fraktionen vorstellen, wird wohl zu einer der zentralen Debatten in der Juni-Stadtratssitzung werden. Ein Antrag der SPD-Fraktion mit zahlreichen Anpassungen an der Geschäftsordnung ist im Rathaus bereits eingegangen.

Unter anderem möchten die Sozialdemokraten die Angelegenheiten der städtischen Eigenbetriebe vom Bauausschuss in einen eigenen Werkausschuss ausgründen. Zudem wollen sie die maximale Sitzungsdauer begrenzen. "Ab 23 Uhr ist der Stadtrat und seine Ausschüsse nicht mehr beschlussfähig."

Schlägt draußen die Uhr zum elften Mal, müsste die Stadt für die verbleibenden Tagesordnungspunkte nochmals gesondert laden. Das könnte, frei nach Karl Valentin, zumindest die Disziplin erhöhen, nicht alles, was schon gesagt wurde, auch selbst noch einmal sagen zu wollen.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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