Grafinger Kulturinstution:Das letzte Kapitel

Lesezeit: 3 min

"Wenig ist ewig": Mitte der 80-er hat Cathi Slawik ihre erste Buchhandlung in Grafing eröffnet. In zwei Jahren will sie in den Ruhestand gehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bedrohte Spezies: Die Grafinger Buchhändlerin Cathi Slawik sucht einen Nachfolger

Es ist ihr Ort des Lebens, Ruhepol und Diskursstätte, Zuhause und Zufluchtsort, Berufung und Beruf. "Aber wenig ist ewig", sagt Cathi Slawik. Im Tonfall schwingt keine Verbitterung mit, keine Traurigkeit, ja nicht einmal der Hauch eines Seufzers. Dabei hätte die Grafingerin, die zehn Jahre jünger aussieht, als sie eigentlich ist, doch allen Grund dazu: Sie sucht einen Nachfolger. In zwei Jahren, mit 75, da wolle sie in den Ruhestand.

Horatio Hornblower hieß der Mann, mit dem vor Jahrzehnten alles anfing: Cecil Scott Foresters edler Kapitän ohne Grausamkeit, Furcht und Tadel, der mit seiner Fregatte "Lydia" ein dreimal größeres Schiff in den Grund bohrte, eine französische Flottille in ihrem Hafen zerstörte, aus der Gefangenschaft floh und auf einem gekaperten Boot zurück nach England kehrte, wo in Lady Wellesley die lieblichste aller Frauen auf ihn wartete. "Seitdem haben mich Bücher einfach nicht mehr losgelassen", sagt Cathi Slawik. Und sie die Bücher nicht.

Also geht sie an die Buchhändlerschule, macht das Sortimenterdiplom. Mitte der 1980er Jahre eröffnet Slawik in Grafing ihre Buchhandlung. "Ich muss mich doch selber ernähren können." Nach ein paar Jahren der Umzug in die Bahnhofsstraße, dann, als vor 16 Jahren die Jahnstraße umgebaut ist, zieht sie weiter in deren Nummer Fünf. Mittelblauen Teppich lässt sie dort verlegen, rundherum Buchregale aus halbdunklem Holz einbauen. Dazwischen stellt sie Präsentiertische. Hinten rechts kommt eine kleine Espressoecke hin. Zum Versinken in Couch und Buch.

Und auf einmal ist da eine fast demonstrative Bestimmtheit in Cathi Slawiks Tonfall, keinen Widerspruch duldend: "Die Leute sollen ja nicht einfach nur irgendwas kaufen. Die sollen doch was kaufen, das ihnen Freude macht." Auswahl ist bei Slawik jedenfalls genug da. 10 000 Bücher seien es ungefähr. "Mir ist wichtig, dass ich wirklich die gesamte Palette hier habe." Bücher, die Horizonte erweitern oder Wissensdränge kanalisieren. Die unterhalten, als Geburtstagsgeschenke taugen, auf den Urlaub vorbereiten oder von lokalen Autoren stammen. "Für mich ist diese Vielfalt eine Qualitätsfrage: Nämlich das passende für alle möglichen Anlässe dazuhaben - und mich damit auch auszukennen."

Buchhändler wie Cathi Slawik sind eine bedrohte Berufsspezies. Laut Börsenverein des deutschen Buchhandels, der großen Interessensvertretung der Branche, geht die Zahl der Läden stetig zurück. Als Indikator führt der Verband die rückläufige Zahl seiner Mitglieder an. Waren es im Jahr 2014 noch 3204 Buchhandlungen, zählte er ein Jahr später nur mehr 3064. Im Jahr 2016 waren es noch 2964. Es ist ein langsamer Tod, aber ein stetiger.

Cathi Slawik stemmt sich erfolgreich dagegen. Natürlich damit, dass sie jedes der 10 000 Bücher entweder ganz oder wenigstens in Rezensionen gelesen hat - und so ihren Kunden einfach mehr mitgeben kann als eine Buchbewertung im Internet. Als die Onlinekonkurrenz größer wird, führt sie zum Beispiel ein Warenwirtschaftssystem ein. Kennzahlen zeigen ihr, welche Themen zu welcher Zeit gut laufen.

Als eine der ersten macht sie bei Genial-Lokal mit. Dahinter steht ein genossenschaftlich organisierter Buchhandelsmarkplatz: Wer nachmittags im Internet bestellt, kann seinen Einkauf am nächsten Mittag in der Jahnstraße 5 abholen.

"Natürlich muss ich mich mit den Marktzwängen irgendwie arrangieren", sagt die Grafingerin. Warum sollte ein Buchladen auch anders funktionieren als andere Unternehmen? "Wenn ich immer nur in die Regale gestellt hätte, was mich selbst interessiert hat, würde es den Laden heute sicher nicht mehr geben." Man müsse deshalb ja nicht gleich jedem Trend hinterherlaufen. Der Sache mit den E-Büchern zum Beispiel. "Das ist nicht mehr meine Welt, das fühlt sich nicht mehr gut an." Dabei verweist Cathi Slawik augenzwinkernd auf den Physiker Albert Einstein: E = mc², Masse ist Energie. Sie greift hinter sich ins Regal, schlägt eine Seite auf, geradezu zärtlich streichelt sie mit dem Zeigefingerrücken über das Papier, blättert um, lauscht dem Rascheln. "Wenn das nicht mehr so ist, dann geht doch was verloren."

Damit nicht auch noch ihr Buchladen verloren geht, hat Cathi Slawik nun mit der Suche nach einem Nachfolger begonnen. Die ganzen Details überlasse sie gerne ihm oder ihr, sagt sie. Nur eins sei ihr wichtig. "Dass es ein Menschenfreund ist."

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: