Grafing:Zu viele Hindernisse

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Dieser Fußweg an der Rotter Straße in Grafing führt noch über das Grundstück der Klägerin, die gerne dort ein Einfamilienhaus bauen würde. (Foto: Johannes Hirschlach/oh)

Weil über ihr Grundstück, das zu nah an der Rotter Straße liegt, ein Gehweg führt, darf eine Grafingerin kein Haus errichten

Von Johannes Hirschlach, Grafing

Gebaut wird, wo Platz ist - und der ist in Grafing und Umgebung rar. So rar, dass selbst auf den ersten Blick unwirtlich aussehende Flecken bei den Grundstückseigentümern den Wunsch aufkommen lassen, dort ein Domizil zu errichten. Eine solche Stelle befindet sich in einem Ortsteil Grafings: Auf einem schmalen Streifen mit einem schönen Blick auf Stadt und Berge, jedoch stark abschüssig und in unmittelbarer Nähe der viel befahrenen Rotter Straße, möchte eine Grundbesitzerin ein Einfamilienhaus errichten. "Wir haben nur dieses eine Grundstück", sagte die Eignerin beim Ortstermin mit dem Münchner Verwaltungsgericht.

Die Frau hatte geklagt, weil das Ebersberger Landratsamt eine entsprechende Bauvoranfrage abgewiesen hat. Als Streitpunkt stellte sich bei der Verhandlung in Grafing insbesondere die Nähe des Grundstücks zur Rotter Straße heraus. Das betroffene Gelände fällt steil zur Straße ab und grenzt dann unmittelbar an diese. Das Bayerische Straßen- und Wegegesetz schreibt allerdings vor, dass an Kreisstraßen bis zu einem Abstand von 15 Metern nicht gebaut werden darf. Dies gilt auch für das entsprechende Teilstück der Rotter Straße. Natürlich gebe es für bestimmte Fälle Ausnahmen, heißt es aus dem Bauamt der Kreisverwaltung. Das gelte, wenn die Verkehrssicherheit oder die Sichtverhältnisse nicht beeinträchtigt seien, zum Beispiel.

Ein vom Landratsamt hinzugezogener Gutachter des Staatlichen Bauamtes Rosenheim kam jedoch zu dem Schluss, dass ebendies zu befürchten sei. Die geringe Straßenbreite und der enge Kurvenverlauf seien potenzielle Risikofaktoren, erörterte dieser auf Nachfrage von Richter Korbinian Heinzeller. Daraufhin bat der Anwalt der Klägerin um eine Besichtigung der Stelle, an der die Zufahrt zum geplanten Anwesen erfolgen soll. "Wenn das eine gefährlichere Ausfahrt sein soll, als an anderen Stellen, kann ich in keinem Ortsbereich mehr bauen", sagte er angesichts der dort beiderseits weit einsehbaren Straße.

Doch die Lage des Grundstückes war nicht das einzige Thema, bei dem sich beide Parteien unterschiedlicher Auffassung zeigten. Aktuell führt über das Grundstück ein städtischer Fußweg. Am unteren Ende, noch auf öffentlichem Grund, befindet sich eine massive Eiche. "Der Baum muss bleiben", sagte die als Beisitzerin geladene Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Der Gehweg war bis 2014 per Pachtvertrag gesichert, soll aber nach dem Willen der Eigentümer in Zukunft nicht mehr das Grundstück queren. Stattdessen sei die Klägerin bereit, einer Verlegung des Wegs zuzustimmen - in den unteren Bereich des Areals, parallel zur Rotter Straße. Darüber habe es bereits eine von der Bürgermeisterin und der Grundstückseigentümerin unterschriebene Vereinbarung gegeben, so der Anwalt der Klägerin. Da diese unter Vorbehalt erteilt wurde, konnte der Bauausschuss der Stadt die Zustimmung jedoch wieder zurückziehen. Denn bei der Änderung des Verlaufs stünde nun die besagte Eiche buchstäblich im Weg. "Wenn ich den Baum erhalten will, müssen Stufen herumführen", sagte Obermayr. Das widerspreche einem barrierefreien Zugang für die Fußgänger zur angrenzenden Siedlung. Da die Stadt verpflichtet sei, einen Gehweg zur Verfügung zu stellen, spiele die Verkehrssicherheit der Fußgänger ebenfalls eine Rolle, erläuterte Josef Niedermaier vom städtischen Bauamt.

Bei dem komplizierten Sachverhalt konnte sich Richter Heinzeller auch nach einstündiger Verhandlung und ausgiebiger Besprechung am Ende des Termins noch zu keiner vorläufigen Entscheidung durchringen. Erst im später zugestellten schriftlichen Urteil wies das Gericht die Klage der Grundstückseignerin ab. Der Verlauf des Fußwegs ist damit noch nicht geklärt. Dazu müssen sich nun beide Seiten erneut zusammensetzen.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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